„Was hat die Industrie denn da schon wieder fabriziert! Das Produkt wirkt nicht!“ So sprach mich letztens ein Landwirt auf einer Messe an. Sofort rasen die Gedanken durch den Kopf: Macht die Formulierung Probleme? War die Charge zu alt? Hat das Mittel Frost gekriegt? Ich bot ihm erst einmal einen Kaffee an und begann ihm genau auf den Zahn zu fühlen.
Er hatte seine Zuckerrüben mit Phenmedipham gespritzt. Soweit so gut. Nur wirkte es nicht. Das Unkraut wuchs und wuchs. Doch woran lag es? Er hatte das Produkt solo gespritzt und die Spritze war nicht verstopft. Die Charge war ok und bei der Formulierung gab es noch nie Probleme. Auch ich war zuerst ratlos. Doch dann viel es mir wie Schuppen von den Augen! Lag es vielleicht an der schlechten Qualität seines Spritzwassers?
Wir verabredeten uns eine Woche später auf seinem Betrieb. Ich steckte mein elektronisches pH-Messgerät ein und ging der Sache buchstäblich auf den Grund. Und tada! Das Brunnenwasser, das er immer zum Spritzen benutzte, hatte doch glatt einen pH-Wert von 8,7! Problem gelöst!
Wie, Problem gelöst? Was hat der pH-Wert mit der fehlenden Wirkung von Phenmedipham zu tun? Warum solltest du überhaupt wissen wie hoch der pH-Wert deines Spritzwassers ist? Dies alles und noch viel mehr erfährst du in diesem Artikel.
Was bedeutet eigentlich der pH-Wert?
Der pH-Wert begegnet dir überall. Du schäumst dich mit pH-neutraler Seife ein, isst basische Lebensmittel, oder trinkst spritzigen/sauren Äppelwoi oder einfach nur ein kühles Bier. Doch was ist der pH-Wert eigentlich genau?
Ganz einfach: der pH-Wert sagt dir, ob etwas sauer (pH 1-6,9), neutral (pH 7) oder basisch (pH 7,1- 14) ist.
Bitte mache nicht den Fehler, den pH-Wert mit der Wasserhärte zu verwechseln, wie auch viele Fachleute es tun. Die Wasserhärte gibt eine Konzentration an Erdalkali-Ionen (Summe der Härtebildner wie Calcium und Magnesium) im Wasser wieder. Der pH-Wert dagegen – und jetzt wird es kompliziert – ist der der negative dekadische Logarithmus der Konzentration von Protonen (H+) bzw. Hydronium-Ionen (H3O+) in einer wässrigen Lösung. Also je weniger Protonen in deinem Spritzwasser rumschwimmen, desto basischer ist es. Du solltest dir vor allem merken, dass aufgrund der komplizierten logarithmischen Berechnung des pH-Wertes jeder volle Schritt auf der Skala eine Verzehnfachung bedeutet. Der pH-Wert 9 ist demnach zehnmal basischer als pH-Wert 8 und der pH-Wert 4 zehnmal saurer als pH-Wert 5.
Auch die Wasserhärte hat übrigens Einfluss auf deine Pflanzenschutzmaßnahme. Welchen liest du hier.
Der pH-Wert in der Landwirtschaft
Pflanzen brauchen Stickstoff (in Nitrat- oder Ammoniumform) zum Wachsen. Neue Düngeverordnung hin oder her. Diesen Mineralstoff können sie jedoch nur aufnehmen, wenn er auch in pflanzenverfügbarer Form zur Verfügung steht. Wachsen deine Pflanzen in einem neutralen bis leicht basischen Boden, so können sie viel Stickstoff aufnehmen, denn in diesem pH-Bereich ist die Löslichkeit von N am höchsten. Als guter Landwirt muss ich dir das nicht erzählen, denn du weißt selbst wie wichtig der richtige Boden-pH-Wert ist. Deshalb steht eine Kalkdüngung bei dir sicher fest auf dem Arbeitsplan. Doch mögen auch es deine Pflanzenschutzmittel eher basisch?
Welcher ist jetzt der optimale pH-Wert für dein Spritzwasser?
Genau wie du eher sauren Getränken wie Cola (pH 2-3), Wein (pH 4) oder auch Bier (pH 4,5-5) den Vorzug gibst, tun das viele deiner Pflanzenschutzmittel auch. Die meisten Pflanzenschutzmittel, allen voran Insektizide und Herbizide, entfalten ihre Wirkung am besten in einer sauren bis schwach sauren Spritzbrühe (pH 4-6,5). Hier schlummern enorme Wirkungsreserven, was besonders in Zeiten von zunehmenden Resistenzen und einer engeren Wirkstoffpalette immer wichtiger wird.
Aber bitte gib Acht, nicht alle mögen es sauer! Sulfonylharnstoffe mögen es lieber basisch (pH > 7). Sie lösen sich sonst nicht auf und können sogar in saurer Spritzbrühe inaktiv werden.
Es ist wirklich gar nicht so einfach, denn viele Wirkstoffe sind kleine Sensibelchen. Passt ihnen der pH-Wert oder auch die Wasserhärte nicht, fallen sie aus und verstopfen deine Spritze. Ist das Wasser zu kalt, also unter 10 °C, lösen sie sich nicht richtig auf. Ist deine Sprize nicht richtig sauber, können die neuen Wirkstoffe die alten Reste wieder mobilisieren und Phytotox oder Verstopfungen drohen! 5 Gründe, warum Spritzenreinigung ein Muss für jeden Landwirt sein sollte
Schlimmer noch ist die Tatsache, dass manche Wirkstoffe, so wie auch das besagte Phenmedipham, viele Pyrethroide oder auch Captan ab einem pH-Wert größer 7 instabil werden. Sie werden dann durch die alkalische Hydrolyse (Verseifung) einfach abgebaut.
Ist die alkalische Hydrolyse einmal in Gang, kannst du sie nicht mehr verhindern. Der Abbau ist nicht rückgängig zu machen, der Wirkstoff futsch, die Unkräuter / Insekten / Pilze freuen sich weiter ihres Lebens und du wunderst dich, warum das Mittel nicht gewirkt hat. Dieser Abbau beginnt schon der bei der Herstellung der Spritzbrühe und dauert bis zum Abtrocknen auf der Zielfläche an. Und er läuft sogar noch schneller ab, wenn dein Spritzwasser warm (>20 °C) ist.
Der pH-Wert deiner Spritzbrühe beeinflusst also maßgeblich die Wirkung deiner Pflanzenschutzmittel. Für jeden Wirkstoff gibt es sogenannte Halbwertzeiten. Sie sagen dir, wie lange dein Wirkstoff bei einem bestimmten pH-Wert (bei 20/25 °C Wassertemperatur) intakt bleibt. Hier ein paar Beispiele:
Phenmedipham:
pH 5 – 47 Tage
pH 7 – 12 Stunden
pH 9 – 7 Minuten
Captan
pH 5 – 3 Stunden und 36 Minuten
pH 9 – 6 Minuten
Die Universität Hertfordshire hat in der Pesticide Properties Database eine umfangreiche Sammlung über alle Eigenschaften von Pflanzenschutzmitteln zusammengestellt. U.a. findest du auch hier die Info, wie pH-Wert empfindlich ein Wirkstoff ist (unter Aqueous hydrolysis).
pH-Wert konditioniert – Wirkung abgesichert!
Du siehst also, der pH-Wert hat es ganz schön in sich. Da kannst du noch so schnell mit deinem Schlepper über dein Feld rasen. Hast du einen Wirkstoff in deiner Spritze der pH-sensibel ist, kann er sich schon bei der Ankunft auf dem Acker abgebaut haben.
Die Industrie kennt das Problem und bietet deshalb viele Pflanzenschutzmittel bereits mit einem integrierten Puffer an. Mischt du jedoch hochbasische Dünger wie z.B. flüssiges Bor hinzu, reicht auch die Pufferkapazität des PSM nicht mehr aus und du musst dein Spritzwasser vorher konditionieren, also ansäuern. Oder am besten Bor solo spritzen.
Wie du den pH-Wert deines Spritzwassers bestimmst und dein Spritzwasser richtig konditionierst, liest du in einem späteren Artikel. Ich kann dir versichern es lohnt sich! Denn du sicherst so die Wirkung deiner Pflanzenschutzmaßnahme ab und erhöhst die Stabilität deiner Spritzbrühe! Ist der pH verkehrt, ist das beste Mittel nichts wert.