Auf meiner Kontrollfahrt durch die Felder schaue ich mir die Bestände an. Das Getreide ist schnell und satt aufgelaufen, die Unkräuter leider ebenfalls. Auf den ersten Blick bin ich zufrieden, steige aus meinem Wagen aus und blicke auf die Wintergerste. Doch recht schnell erkenne ich ein geschäftiges Treiben auf den jungen Gerstenpflanzen. Hier sind kleine geflügelte Insekten unterwegs, die es sich in meinem Getreide bequem gemacht haben. Aber nicht mit mir! Da es die Gerste betrifft, tippe ich auf Blattläuse.

Wie du Blattläuse zweifelsfrei erkennst und was sie mit dem Verzwergungsvirus zu tun haben, erfährst du, wenn du weiter liest.

Kleine Laus, große Wirkung: Ein Steckbrief

Leider gibt es nicht nur eine einzige bestimmte Art von Blattläusen, die es auf dein Getreide abgesehen hat. In Deutschland allein gibt es über 850 von ihnen. Viele davon sind auf ganz bestimmte Pflanzen spezialisiert, im Ackerbau z.B. auf Raps, Zuckerrüben, Kartoffeln oder Mais. Wir haben dir die 4 wichtigsten Blattlausarten im Getreide mal kurz als Steckbrief zusammengefasst:

Grosse Getreideblattlaus (Sitobion avenae)

Aussehen

Grosse Getreideblattlaus (Sitobion avenae) als Larven und Imagine

Larven: gelblich bis grün oder rotbraun bis schwarz mit allen Übergängen, spindelförmig, 2-3mm lang, Fühler körperlang

Imagine: gelblich bis grün oder rotbraun bis schwarz mit allen Übergängen, bräunliche Beine, Beinende dunkelbraun bis schwarz

Geflügelte Laus: dunkelbraun, 2-3mm lang, Hinterleib mit braunen Flecken an der Seite breite Querbänder in der Mitte

Schäden

Die Große Getreideblattlaus saugt mit Vorliebe an Ähren, Blättern, Spelzen und der Spindel der grünen Ähren. Sie überträgt das Gerstengelbverzwergungsvirus (barley yellow dwarf virus, BYDV).

Sommer- und Winterwirte

Sie tummelt sich gern in Weizen, weniger häufig in Roggen, Gerste und Hafer. Diese Laus ist nicht wirtswechselnd.

Grosse Getreideblattlaus (Sitobion avenae) in geflügelter Form oben, als kleine Blattlaus darunter und rechts die Wandersandzirpe.Im Bild oben siehst du die Grosse Getreideblattlaus (Sitobion avenae) in geflügelter Form oben, als kleine Blattlaus darunter und rechts die Wandersandzirpe.

Hafer- oder Traubenkirschenblattlaus (Rhopalosiphum padi)

Aussehen

Haferblattlaus bzw. Traubenkirschenblattlaus (Rhopalosiphum padi) in allen drei Stadien Larven: oval, olivgrün und 1.8 bis 2.3 mm lang, Fühler bis Körpermitte

Imagine: blassgrün bis dunkelgrün, braun oder fast schwarz, mit einem rostroten Überzug um die Basis

Geflügelte Laus: Kopf, Hinterleibsröhre, Brust und Beinende schwarz

Schäden

Sie überträgt das Gerstengelbverzwergungsvirus (barley yellow dwarf virus, BYDV).

Sommer- und Winterwirte

Im Sommer ist sie in allen Getreidearten sowie viele Gräsern zu finden. Sie ist wirtswechselnd. Im Winter zieht es R. padi zu Traubenkirschen oder Zwergmandelsträucher. Sie kann ebenso als lebendes Insekt an Wintergetreide überwintern.

Maisblattlaus (Rhopalosiphum maidis)

Aussehen

Maisblattlaus (Rhopalosiphum maidis)

Larven: dunkelgrün bis blauschwarz, länglich ovaler Körper, 2 - 2.6 mm lang, Fühler halb so lang wie der Körper

Imagine: grau-grün gefärbt und haben einen schwarzen Fleck an der Basis der Hinterleibsröhren

Geflügelte Laus: Schwarzer Kopf, Brust, Fühler und Hinterleibsröhren, Hinterleib grau-grün bis dunkelgrün mit dunklen Flecken an der Seite

Schäden

Die Maisblattlaus gilt ebenfalls als Überträgerin des Gerstengelbverzwergungsvirus (barley yellow dwarf virus, BYDV).

Sommer- und Winterwirte

Im Sommer vergnügt sich diese kleine Laus wie es ihr Name schon vermuten lässt am liebsten auf Maispflanzen und in Hühner- als auch Borstenhirse. Im Winter mag sie neben Mais auch gern Getreide und Ausfallgetreide.

Bleiche Getreidelaus (Metopolophium dirhodum)

Aussehen

M.dirhodum_klSchäden

Auch unsere letzte Laus überträgt das Gerstengelbverzwergungsvirus (BYDV). Zudem verursacht sie erhebliche Beeinträchtigungen der Kornausbildung und hohe Verluste bei starkem Befall.

Sommer- und Winterwirte

In der warmen Jahreszeit tummelt sich M. dirhodum in Gräsern, Mais, Weizen, Gerste, Roggen, Triticiale und Hafer. Im Winter bevorzugt sie Wild- und Gartenrosen.

Mit welchen Schäden musst du bei Blattlausbefall deines Getreides rechnen?

Die kleinen Insekten mit ihren 6 Beinen und langen Fühlern treten gern in Massen auf. Deshalb siehst du einige Schadsymptome auch erst, wenn es nur so von ihnen auf den Blättern und Ähren wimmelt oder zu einem späteren Zeitpunkt.

Schäden an der Pflanze:

Infizieren mit dem Gelbverzwergungsvirus: Infizierte Pflanzen geben das Wachstum auf und bilden keine Ähren. Der Horror für jeden Landwirt! Eine Übertragung des Verzwergungsvirus durch Blattläuse und ein einhergehender starker Befall im Bestand im Herbst kann dich zu einem kompletten Umbruch im Frühjahr zwingen.
  • Zuerst helle Flecken und später frühes Vergilben und Vertrocknen der Blätter
  • Verformen der Blätter (rollen, kräuseln)
  • -Schmalere Ähren kurz vor der Reife, schlechte Kornausbildung

Durch das Ausscheiden von Honigtau haben zudem Schwärzepilze und Rußtau ein leichtes Spiel. Dies ist besonders im Frühjahr an den Ähren fatal, denn die Qualität deiner Ernte leidet darunter.

Schäden in deinem Geldbeutel:

  • Minderung des TKM
  • Ertragsverluste durch direkte Fraßschäden von bis zu 20 % (Valenzuela & Hoffmann, 2014)
  • Ertragsverluste durch Virusübertragung bis zu 80 % und mehr (Perry et al., 2000)
  • Qualitäts- als auch Ertragsverluste durch Schwärzepilze

Wann droht Blattlausgefahr?

Blattläuse treten nicht nur zu einer bestimmten Jahreszeit auf. Zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Voraussetzungen die Blattlausgefahr am größten ist, haben wir hier für dich aufgeschlüsselt.

Blattlausgefahr im Herbst:

Frühe Aussaat: Bringst du schon vor dem 25.09. dein Getreide in die Erde, bleibt den Blattläusen mehr Zeit sich in deinem Feld auszubreiten, Eier abzulegen und Viren in deine Getreidepflanzen zu verbreitenübertragen. Viren? Unter dem Punkt Schäden findest du mehr dazu.

Warmer Herbst: Ein goldener Herbst lässt die Temperaturen über 10-12°C im Oktober/November steigen? Dann freut sich die geflügelte Blattlaus, denn bei 12°C bis 22°C und 60-80% Luftfeuchtigkeit herrschen für sie die optimalen Bedingungen für einen Flug. Sie schafft es laut einer Studie sogar bis zu 22 Stunden zu fliegen, über 14 km mit 2,05 km/h. Sind es hingegen lediglich kalte 8°C ist es ziemlich schwierig für sie zu starten und sie fliegt dann auch nicht weit.

Kumpel Zwergzikade ist mit von der Partie: Hören kannst du sie nicht wie im Gegensatz zu ihren südeuropäischen Verwandten. Aber vielleicht ist sie dir schon einmal entgegen gesprungen. Die Wandersandzirpen, die zu den Zwergzikaden gehören, können nämlich fliegen, springen und laufen. Nicht einfach nur laufen, nein, sie können das auch seitwärts. Blattläusen oder Käfer hingegen kennen nur eine Richtung, geradeaus. Auch die Zwergzikaden legen wie die geflügelten Blattläuse ihre Eier gern im herbstlichen Getreide ab. Ihre Larven und Kinder findet man erst im Frühjahr, wo auch sie ihren Schaden anrichten. Über kräftiges Saugen an den Pflanzen, durch das sie dann das gefährliche Weizenverzwergungsvirus übertragen können. Warum es so schlimm ist, wenn sie sich gleichzeitig mit den Blattläusen in deinem Getreide befinden? Tja, gegen Blattläuse gibt es zugelassene Insektizide, gegen Zwergzikaden (noch) nicht.

Wirtspflanzen in der Nähe: Blattläuse leben auf Wirtspflanzen, je nach Blattlausart sind das verschiedene (siehe Steckbrief oben). Die einen mögen alle Getreidearten, Mais, Hühnerhirse, die anderen findest du im Sommer in Gräsern (z.B. Rispengras, Weidelgräser) am Feldrand, von wo sie dann im Herbst/Winter in deine Getreideschläge wandern. Sind in der Nachbarschaft deiner Getreidefelder nicht gemähte Wiesenränder, abgeerntete Maisfelder oder Äcker mit Ausfallgetreide? Dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie dir einen Besuch abstatten. Und falls du es oben nicht gelesen haben solltest, bis 14 km schaffen sie in einem Flug.

Blattlausgefahr im Frühjahr

Milde Winter: Eigentlich überwintern Blattläuse im Eistadium. Sind die Winter jedoch sehr mild, überleben auch bereits geschlüpfte Insekten. Befallen diese Viecher dann dein junges, gerade aus dem Winterschlaf erwachtes Getreide. Es werden dann zwar keine Verzwergungssymptome mehr ausgebildet, aber die Leitungsbahnen des Getreide verstopfen und die Assimilate werden nicht mehr in das Korn abgeleitet. Die Folge: Aufrecht stehende Ähren mit Schmachtkorn, die mit Schwärzepilzen besiedelt werden.

Was heißt denn in diesem Fall ein milder Winter? Wir meinen hier keine durchgängigen Temperaturen von unter -10 Grad und keinen Schnee. Neben den Schäden, die die überlebenden Blattläuse verursachen, gibt es da noch einen weiteren Haken an einem milden Winter. Denn dann könnte es vorkommen, dass sich im zeitigen Frühjahr die Blattläuse hemmungslos vermehren. Na hemmungslos vielleicht nicht so sehr. Aber z.B. dauert es bei der Großen Getreideblattlaus 55,4 Tage bei 4°C, um aus dem Ei zu schlüpfen; bei 15 °C nur 9,3 Tage. Die Haferblattlaus ist dagegen mit 49,9 Tagen bei 4°C bis 6,8 Tagen bei 20 °C etwas schneller dabei. Das Schlimme sind allerdings Wechseltemperaturen. Denn ist es immer so zwischen 10 bis 15°C warm, läuft die Entwicklung im Ei viel schneller ab, als wenn die Temperatur gleich bleibt. Untersuchungen ergaben übrigens, dass zwischen -3 und -5 °C die Blattläuse von den Pflanzen kippen und in die sogenannte Kältestarre verfallen. Erst bei -9 °C sind sie dann auch wirklich erfroren. Bei den Eiern musst du leider warten bis die Temperatur auf -42 °C fällt, damit sie erfrieren. In unseren Breitengraden ist dies aber eher unwahrscheinlich.

Hast du "Glück" und der Winter ist frostig kalt, überleben nur die Eier. Schlüpfen nun im Frühjahr daraus junge Läuse, müssen die sich erst wieder an Wildgräsern oder auch Getreide mit Virus aufladen und können es erst dann wieder verbreiten. Zu diesem Zeitpunkt ist dein Wintergetreide durch und nur Sommergetreide, hier oft der Hafer (hier wird der Verzwergungsvirus auch Haferröte genannt), wird noch im Frühjahr ertragsrelevant infiziert.

War die Blattlaus schon mal da? Baust du Sommergetreide an, so muss du auch wie im Herbst auf die Wirtspflanzen in der Nähe achten. Zudem wandern die Blattläuse auch gern aus angrenzenden Wintergetreideflächen ein und bringen oft auch gleich das Verzwergungsvirus mit.

Blattläuse sind das ganze Jahr aktiv, lediglich in einem strengen Winter hast du kurz Ruhe vor ihnen. Die Fortpflanzung steht dabei an der Tagesordnung! Ob geschlechtlich oder ungeschlechtlich, lebendgebärend oder eierlegend, egal. Ohne Flügel, mit Flügel, die Blattlaus kommt immer gut voran. Deshalb halte die Augen offen!

Blattlausgefahr erkannt – doch nicht leicht gebannt

Getreideschädlinge gibt es viele, doch die Blattläuse sind vielleicht die vielfältigsten. Sie ziehen im Herbst in deine Getreideschläge ein und bleiben je nach Art bis zum Sommer dort und wechseln dann mit deiner Fruchtfolge weiter in den nächsten Getreideschlag. Sie fliegen, krabbeln oder schlüpfen direkt vor Ort in deinem Getreide. Geschlechtlich oder ungeschlechtliche Fortpflanzung, alles ist bei ihnen möglich. Ihr Ziel: Masse statt Klasse!

Auf Getreide als Wirtspflanze haben sich vier Blattlausarten spezialisiert: Die Grosse Getreideblattlaus, die Bleiche Getreideblattlaus, die Maisblattlaus und die Hafer- bzw. Traubenkirschenblattlaus. Diese vier haben wir dir im Steckbrief vorgestellt und dich mit Fotos versorgt. Doch warum solltest du dich überhaupt mit ihnen befassen? Die saugen doch nur ein bisschen Pflanzensaft ab. Weit gefehlt!

Ihr Honigtau zieht die bereits erwähnten Schwärzepilze an wie Motten das Licht. Doch am schlimmsten trifft es dein Getreide, wenn sie beim Saugen gleichzeitig Viren übertragen. Sie sind nämlich als Überträger des Gelbverzwergungsvirus (BYDV) bekannt. Und dieses Verzwergungsvirus hat es in sich: Die Blätter vergilben, der Wuchs ist gehemmt, die Pflanzen bestocken zu üppig und bilden keine Ähren aus, wenn sie nicht vorher auswintern. Also kein guter Ausblick für eine erfolgreiche Ernte. Genau genommen stehen dir hier große Ertragsverluste durch die Blattläuse bevor.

Merke: Blattlausgefahr besteht nicht nur im Herbst, sondern auch im Frühjahr und im Sommer. Möchtest du wissen wie du sie wieder los wirst bzw. was du vorbeugend tun kannst, um sie nicht in deinen Feldern zu haben? Dann lies unseren Artikel „Blattläuse in Getreide: So bekämpfst du sie!“

Quellen:

Zeichnungen Blattläuse: https://www.isip.de/isip/servlet/resource/blob/269282/d8983235722f43fd26c1832893e344bf/04-thieme-data.pdf

Bild Maisblattlaus: https://apps.lucidcentral.org/pppw_v10/text/web_full/entities/maize_aphid_330.htm

Bild Bleiche Getreidelaus: https://influentialpoints.com/Gallery/Metopolophium_dirhodum_Rose-grain_aphid.htm

Grafiken der Blattläuse: Blattläuse (isip.de)

Verzwergungsviren in Getreide: Blattläuse und Zikaden wann bekämpfen? | agrarheute.com

Getreideblattläuse - Gerste Schädlinge | www.proplanta.de

Blattläuse übertragen Gelbverzwergungsviren | agrarheute.com

Getreideblattläuse (pflanzenkrankheiten.ch)

Wintergerste: Dem Befall mit Verzwergungsvirus entgegnen? | proplanta.de

Ackerbauliche Hinweise zur Minderung der durch Verzwergungsviren verursachten Schäden - LfL (bayern.de)

Getreide: Bestände jetzt auf Blattläuse kontrollieren | agrarheute.com

Getreideschädlinge – Integrierter Pflanzenschutz - LfL (bayern.de)

Blattlaus-Warnung für den Acker | Industrieverband Agrar (iva.de)

jahresbericht-2018.pdf (landwirtschaftskammer.de)

Gelbverzwergungsvirus in Wintergerste: Hilft noch was? | proplanta.de

https://www.researchgate.net/publication/308114180_Influence_of_temperature_and_humidity_on_the_flight_capacity_of_Sitobion_avenae

Psammotettix alienus / Wander-Sandzirpe / Zwergzikaden - Cicadellidae (naturspaziergang.de)

Wandersandzirpe – Wikipedia

https://rp.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/RP-Internet/Themenportal/Landwirtschaft_und_Fischerei/Pflanzenschutz/Documents/GetreideViruserkrankheiten.pdf

agrarservice.de - Lexikon der Getreideschädlinge - Getreideblattläuse

agrarservice.de - Lexikon der Getreideschädlinge - Getreideblattläuse 

https://www.researchgate.net/publication/350152804_Pyrethroid_sensitivity_in_UK_cereal_aphids

Could Behaviour and Not Physiological Thermal Tolerance Determine Winter Survival of Aphids in Cereal Fields? Lucy Alford*, Thiago Oliveira Andrade, Romain Georges, Franc¸oise Burel, Joan van Baaren

https://simonleather.wordpress.com/2014/04/28/a-winters-tale-aphid-overwintering/

Wie umgehen mit Getreideblattläusen? | Landwirtschaftskammer - Pflanzenschutz (lko.at)

15_boese_getr-magazin_aussaat-wigetreide.pdf (sachsen-anhalt.de)

https://influentialpoints.com/Gallery/Rhopalosiphum_maidis_corn_leaf_aphid.htm
https://influentialpoints.com/Gallery/Rhopalosiphum_padi_Bird_cherry-oat_aphid.htm