"Wo ist denn bloß meine Lupe?" Verzweifelt krame ich in meinen Taschen. "Ich sehe da doch etwas Rotes an meinen Astgabeln, das muss ich genauer anschauen. Ha, da ist sie ja!" Mit klammen Fingern fummele ich die Lupe aus ihrer Hülle und widme mich den kleinen roten Perlen, die an meinen nackten Apfelbaumästen schimmern. "Fast hätte ich sie übersehen. Und an den anderen Bäumen finde ich die gleichen Nester. Da wollte ich eigentlich nur den Erfolg meiner letzten Obstbaumkrebsspritzung überprüfen und dann sehe ich das hier. Eier der Obstbaumspinnmilbe! Kann ich die denn jetzt schon bekämpfen, oder muss ich erst auf das Schlüpfen warten?" 

Nein, musst du nicht! Welche Schadschwellen du jedoch beachten solltest, bevor du in den Kampf ziehst und wie du die Obstbaumspinnmilbe (egal ob noch im Ei oder schon geschlüpft) wieder los wirst, liest du in diesem Artikel. 

Wie du die Obstbaumspinnmilbe zweifelsfrei identifizierst, erfährst du in "Rote Spinnen-Plage im Obstbau? So erkennst du die Obstbaumspinnmilbe".

Wann solltest du besonders vor der Obstbaumspinnmilbe auf der Hut sein?

  1. Bei empfindlichen Obstsorten: Baust du die Sorten Braeburn, Gala, Elstar, Cox-Orange und Fuji an? Oder hast du Zwetschgen- bzw. Pflaumenbäume oder als Beerenobstanbauer Johannisbeeren in deiner Anlage? Dann kontrolliere hier lieber einmal zu viel als zu wenig, denn diese Bäume/Sträucher mag die Obstbaumspinnmilbe sehr. Birnen und Kirschen lässt sie dagegen eher links liegen.
  2. Sommer-Sonne-Sonnenschein: Gibt es einen heißen, trockenen Sommer? Dann herrschen optimale Bedingungen für einen massigen Befall.
  3. Zu viel Stickstoff? Durch viel Stickstoff wächst deine Pflanze viel stärker. Die Milben haben so viel bessere Überlebensbedingungen.
  4. Wie sieht’s mit der Belüftung aus? Staut sich warme Luft in deiner Anlage? Dies ist oft unter Hagelschutznetzen der Fall. Sei hier besonders wachsam.

Nicht immer musst du gleich in den Kampf ziehen! Beachte die Schadschwelle.

Wie bei allen Schädlingen im Obstbau musst du nicht gleich scharfe Geschütze auffahren, wenn dir eine Obstbaumspinnmilbe über den Weg krabbelt. Zudem meldet das KOB immer häufiger Resistenzprobleme bei chemischen Wirkstoffen. Deshalb empfehle ich dir immer genau hinzuschauen und die Schadschwelle abzuschätzen, denn sie kann regional auch unterschiedlich sein.

Sie richtet sich nach der Kultur, nach der Bewirtschaftungsweise und auch danach, wie der Befall im vorherigen Jahr ausgesehen hat. Hast du sehr viele Nützlinge wie z.B. Raubmilben in deiner Anlage? Diese kleinen Tierchen helfen dir bei der Bekämpfung fleißig mit, weshalb bei ihrem Vorhandensein die Schadschwelle auch etwas höher liegen kann.

Informiere dich rechtzeitig bei örtlichen Beratungsstellen, deiner zuständigen Offizialberatung oder auch in Warndiensten, um nicht den optimalen Bekämpfungszeitpunkt zu verpassen.

Folgende Bekämpfungsrichtwerte geben wir dir an die Hand:

Wintereier während der Vegetationsruhe: Nimm hierzu eine Astprobe und überschlage die Eieranzahl.

  • IP-Obstanlagen (Äpfel, Pflaumen): >1000 Eier (ohne/wenig Raubmilbenbesatz) bzw. > 2000 Eiern (mit Raubmilbenbesatz) bezogen auf 2 Meter Fruchtholz
  • Kirschen: >1600 Eier auf 2 Meter Fruchtholz
  • Im Bio-Obstbau: >800 Eier auf 2 Meter Fruchtholz
  • Bio-Anbau von Johannisbeeren: Schadschwelle überschritten, wenn auf 20 Rutenstücken mit 10 cm Länge Eier vorhanden sind

Die Schadschwellen wurden ungefähr Mitte der 80er Jahre festgelegt und seitdem nicht mehr angepasst. Das Klima jedoch hat sich in den letzten Jahren sehr gewandelt. Mildere Temperaturen das ganze Jahr über und nur kurze Frostperioden im Winter lässt das Schädlingsherz höher schlagen und die Vermehrungsraten steigen.

Unser Tipp: Reagiere deshalb lieber etwas früher, auch wenn die Schadschwelle noch nicht ganz erreicht sein sollte. Deine Pflanzen werden es dir danken. 

Lies auch: "Klimawandel im Erwerbsobstbau: Große Gefahr für Apfelbäume durch Obstbaumkrebs am Bodensee und der Steiermark"

FruchtholzAstproben im Winter/Frühjahr: Für eine erste Kontrolle im Jahr ist wie im Bild eine Stichprobe von Aststücken auszuwählen. Verwende dazu 2-3 jähriges Fruchtholz (Aststücke mit kleinen Seitenspießen mit meist Blütenknopsen) in der Länge von 20 cm. Dazu gehst du kreuz und quer durch die Anlage und wählst im mittleren Bereich eines Baumes zufällig ein Aststück aus. Gehe weiter bis du 10 Aststücke zusammen hast. Du willst ja wissen wie es in der Anlage aussieht und nicht nur in einer Ecke! Das einjährige Holz davor kannst du abschneiden und das Aststück auf 20 cm kürzen (siehe Bild). Sollte das Fruchtholz mit einem kurzen Spieß enden, an dem auch ein Apfel saß, dann den Fruchtkuchen (rechts im Bild) nicht wegschneiden, nur der kleine Spieß. Denn gerade da können auch die Spinnmilbeneier sitzen, und die willst du ja zählen. Damit hast du nun 2 m korrekt geschnittenes Fruchtholz. Die meisten Eier sitzen in den Astachseln. Also ran mit der Lupe und zählen.

Blattproben während der Vegetation: Wähle für deine Kontrolle immer 50 Blätter aus und zähle dann die Spinnmilben insgesamt und teile die Anzahl durch 50. Ist es egal welche Blätter du nimmst? Nein. Schnapp dir im Frühling bis zum zeitigen Sommer ältere Blätter für deine Probe. Im Hochsommer solltest du eher Blätter aus dem mittleren Bereich der Langtriebe überprüfen.

Werde aktiv bei dieser Anzahl Spinnmilben pro Blatt:

Mai/Juni: 4 Stück

Juli/August: 8 Stück

September: 12 Stück

Erfolgreiche Bekämpfung der Obstbaumspinnmilbe – zu jeder Jahreszeit die richtige Strategie

Du möchtest diese Viecher loswerden? Dann hast du verschiedene Möglichkeiten und auch Zeitpunkte, um sie gezielt zu beseitigen.

Bekämpfung der Wintereier kurz vor Schlupfbeginn

Die Schadensschwelle der Wintereier ist überschritten? Mit Ölen (Raps-, Mineral- oder Paraffinöl (z.B. Promanal HP von Certis :-)) kannst du die Ausbreitung der Obstbaumspinnmilben im nahenden Frühjahr nachhaltig reduzieren. Diese Methode funktioniert jedoch nur bei der Obstbaumspinnmilbe. Die Gemeine Spinmilbe, auch Bohnenspinnmilbe genannt, überwintert als befruchtetes Weibchen in Rindenritzen oder auf anderen Pflanzenteilen.

Nun heißt es aufpassen. Die Austriebsspritzung solltest du so perfekt wie möglich timen, um eine größtmögliche Wirkung zu erzielen. Die Zulassung z.B. des Paraffinöls gegen die Obstbaumspinnmilbe beinhaltet ein relativ kurzes Behandlungsfenster. Bei Kernobst beispielsweise muss die Anwendung zwischen „Ende des Knospenschwellens“ und „Mehrzahl der Blüten im Ballonstadium“, idealerweise zu Beginn einer Schönwetterperiode erfolgen (Stadium der Kultur: 52 bis 59). Die schlupfbereiten Milben haben mehrere Monate auf diesen Moment gewartet. Sie scharren geradezu mit ihren 6 Beinchen und wollen endlich aus den Eiern raus. Nun geht es auf in den Kampf, du kannst die Spritze befüllen (nimm viel Wasser, denn eine gute Benetzung unterstützt die Wirkung) und loslegen!

Der hauchdünne Ölfilm, der sich über die Eihaut legt, verhindert den Gasaustausch mit der Umgebungsluft. Kurz: die Larven ersticken. Obendrein findest du danach auch kaum noch junge Obstbaumspinnmilben. Wie praktisch. Die wenigen noch verbleibenden Spinnmilben können erstmal keinen großen Schaden anrichten. Häufig richten es nun die vorhandenen Raubmilben. Deshalb sind neben den Spinnmilben auch die Anzahl der Raubmilben zu berücksichtigen.

Bekämpfung der Larven, Nymphen und ausgewachsenen Obstbaumspinnmilben

Du hast die Wintereier nicht bekämpft, da vielleicht die Schadschwelle noch nicht überschritten war? Nun hat dir das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht. Trockene Wärme haben die Tierchen so richtig in Fahrt gebracht und ihre Anzahl ist nun explosionsartig gestiegen? Kein Problem. Auch die geschlüpften Larven, Nymphen und Milben wirst du noch los. Mit Akariziden.

Milbenbekämpfung ist jedoch nicht so einfach wie es aussieht! Hier gibt es viele Mittel und Wirkstoffe, du hast also die Qual der Wahl. Kontaktwirkstoffe wie das natürliche Maltodextrin (auch im Bio-Anbau zugelassen z.B. Kantaro), oder chemische Wirkstoffe wie z.B. Hexythiazox, Acequinocyl, oder Milbemectin helfen dir beim Kampf gegen die Spinnmilben.

Du hast deine Wahl getroffen? Bitte lies dir dann die Gebrauchsanleitung genau durch und frage deinen Fachberater, denn jedes Akarizid bzw. Insektizid wirkt selektiv, also zu unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Einmal falsch getimt, weil du dachtest du erwischst damit die Larven doch das Mittel war nur bei Sommereier zugelassen? Gar nicht gut. Die kleinen Viecher bilden schnell Resistenzen aus. Nimm dir lieber Zeit, die Mittel und vor allem das Entwicklungsstadium deiner Obstbaumspinnmilben genau zu checken, bevor du was kaufst und in die Spritze kippst.

So winzig sind die Obstbaumspinnmilben auf der BlattunterseiteKleine rote Spinne mit großer Wirkung

Die Obstbaumspinnmilben begleiten dich und deine Obstanlage das ganz Jahr über. Im Winter bis in den Frühling hinein legen sie ihre roten, kugelrunden Eier ab, aus denen dann im Frühjahr die Larven schlüpfen. Nach dem Larven- und Nymphenstadium hast du es am Ende mit einer klitzekleinen roten Spinnmilbe zu tun. Sie können besonders in trocknen und heißen Sommern wahren Epidemien auslösen und deinen Obstbäume und -sträucher sehr schaden.

Am besten beginnst du schon im Winter nach den Eiern Ausschau zu halten. Wir haben dir erklärt wo du sie genau findest und ab welchem Bekämpfungsrichtwert du deine scharfen Geschütze herausholen solltest. Sind die Eier oder sogar schon Larven, Nymphen oder Milben da, kennst du jetzt viele Wirkstoffe und Empfehlungen, wie du diese Plagegeister schnell wieder los wirst. Und klappt es mit der Bekämpfung nicht so wie gedacht, oder hast du Verbesserungsvorschläge? Schreib uns doch einfach an blog@certiseurope.com

Gefallen dir unsere Artikel? Dann abonniere doch einfach unseren Obstbau-Blog, gleich hier am Ende des Artikels im grünen Balken! 

 

Quellen:

W. Karg. (1983) Untersuchungen zur Flächendispersion und Befallsentwicklung der Obstbaumspinnmilbe Panonychus ulmi Koch in Sortenblöcken von Apfelintensivanlagen als Grundlage für eine rationelle Überwachung. Zeitschrift für Angewandte Entomologie 96:1-5, pages 433-442. https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/03235408309430672

https://kob-bavendorf.de/kob/www.kob-bavendorf.de/Service/schaedlinge-und-krankheiten/schaedlinge/obstbaumspinnmilbe.html

https://plantix.net/de/library/plant-diseases/500003/european-red-mite