Klimawandel ist nicht erst seit Greta Thunberg in aller Munde. Bereits 2006 hat das Umweltbundesamt eine Studie zum Klimawandel und Obstbau in Deutschland in Auftrag gegeben.  Schon diese Studie, die 2009 abgeschlossen wurde, sagt gravierende klimatische Veränderungen für den Erwerbsobstbau voraus. Krankheiten wie der Obstbaumkrebs solltest du deshalb nicht mehr als ein eher norddeutsches Problem betrachten.

Wie erkennst du, dass deine Apfelplantage mit Obstbaumkrebs befallen ist? Auf welche klimatischen Bedingungen und Krebsauslöser in deiner Apfelanlage solltest du ein Auge haben? Wenn du Antworten auf diese Fragen suchst, dann lies hier weiter.

Obstbaumkrebs: ein Wundparasit greift deine Apfelbäume an

Bevor ich dir etwas über die optimalen klimatischen Bedingungen für den Obstbaumkrebs erzähle, schauen wir uns mal diese bedeutende Krankheit im Erwerbsobstbau genauer an.

Beim Obstbaumkrebs handelt es sich um eine Infektion mit Pustelpilzen der Gattung Neonectria ditissima (alt: Nectria galligena). Dieser Pilz ist ein Parasit, der durch Wunden in deinen Baum eindringt. Die Äste und Triebe deines Baums werden durch den Pilz ab der Eindringstelle regelrecht blockiert, so dass sie kein Wasser und keine Nahrung mehr bis in die letzte Spitze transportieren können. Und dann sterben sie ab. Befällt der Krebs einen jungen Baumstamm, so kannst du ihn nicht mehr retten.

Obstbaumkrebs2

Ältere Bäume verschließen die Eintrittsporte durch Wucherungen. Die siehst du sehr häufig auch an Laubbäumen. Denn Laubbäume wie Eichen, Buchen, Linden können ebenfalls vom Obstbaumkrebs befallen werden.

Unser Pustelpilz ist ein Wundparasit. Der Apfelbaum bietet diesem kleinen Teufel viele Eintrittspforten:

  • Durch Blattnarben, die durch den natürlichen Blattfall im Herbst/Winter entstehen
  • Schnittwunden durch Ernte und Baumschneidemaßnahmen
  • durch Starkwinde mit Ast-Bruch, Hagelschäden oder Frostrisse

Obstbaumkrebs3

Wie verbreitet sich der Pilz oder bleibt er nur an einer Stelle im Baum? Leider nicht. Bei den Pustelpilzen sind die Ascosporen für die Fernverbreitung verantwortlich. Viele Hundert Meter können sie den Pilz in deiner Anlage verbreiten. Am liebsten bei Regen, Tau und Nebel. Den trifft man ja bekanntermaßen im Winter und Frühjahr besonders häufig an. Im Sommer verbreitet sich der Pilz über Pilzsporen, die Konidien. Sie bilden Fruchtkörper, die dann die Ascosporen freigeben. Und je länger frostige Temperaturen auf sich warten lassen, desto bessere Möglichkeiten hat der Pilz in den Baum einzudringen.

Daher besteht die größte Gefahr für eine Infektion deiner Apfelbäume direkt nach der Ernte bis zum Ende des Blattfalles. In dieser Zeit ist zudem der Sporenflug intensiv, wenn die Temperaturen nicht zu kühl (unter 5°C) sind. Verbunden mit genügend Feuchtigkeit kann sich der Pilz dann herrlich entwickeln.

Aber Achtung! Die Symptome einer Infektion kannst du aber erst nach einer gewissen Zeit feststellen. In der Regel siehst du sie erst nach 5 bis 7 Monaten, es ist aber auch möglich, dass du sie erst deutlich später bemerkst. Das bedeutet: Siehst du einen neuen Befall im April, dann stammt dieser von einer Infektion vom November im vergangenen Jahr.

Schreckgespenst Obstbaumkrebs: welches Klima begünstigt den Pilzbefall?

Pilze als Schaderreger sind im Kernobstanbau bestens bekannt. Ob Botrytis, Kragenfäule, oder Schorf - die Krankheiten sind vielfältig. Jedoch benötigt jeder Pilz ein anderes Klima, um optimal zu gedeihen und Schaden anzurichten. So haben deine Obstbaukollegen aus der Pfalz kaum Probleme mit Schorf. Schorfbefall findet um die Blütezeit herum statt. In der Pfalz ist es tendenziell trockener als im Norden. Wenn es regnet, dann nur kurz, so dass die Zahl der Schorfinfektionen viel geringer sind als am Bodensee oder in der Steiermark.

Obstbaumkrebs trat bis dato hauptsächlich in Regionen mit mild-feuchten Wintern und maritimen Klima auf, wie sie z.B. im Alten Land, also in Norddeutschland, vorkommen. Das Alte Land hat bereits einige Obstbaumkrebs-Epidemien hinter sich. Das letzte Mal 1973-75, wo milde Wintertemperaturen und viel Regen an zwei Jahren aufeinander paradiesische Bedingungen für den Pustelpilz bot. Aber was bedeutet nun mild-feuchte Winter und maritimes Klima genau?

Ich habe für dich mal eine Studie aus Neuseeland aus dem Jahr 2011 durchgearbeitet. Diese Studie beschäftigte sich mit der Identifikation von optimalen regionalen Klimabedingungen für die Entwicklung von Obstbaumkrebs. Suchst du im deutschsprachigen Internet, welches Klima für den Obstbaumkrebs optimal ist, findest du hauptsächlich Angaben aus dieser Studie (Tages- und Nachttemperaturen zwischen 11° C und 16°C an mehr als 8 Stunden pro Tag, > 30 Prozent (durchschnittlich 9,1 Tage) Regentage pro Monat). Interessant zu für dich zu wissen: bereits ab 5°C wird der Pilz aktiv und verbreitet sich durch Ascosporen und Konidien, wie Dubin und English bereits 1974 herausfanden.

Zudem haben die Forscher entdeckt, dass große Regenmengen den Obstbaumkrebs nicht unbedingt verstärken. Eher ist die Dauer des kühlen Nass von oben relevant. Und wie lange die Feuchtigkeit auf dem Baum (Äste, Triebe, Blätter) verbleibt. Kurz zusammengefasst:

Klimatisch optimale Bedingungen für Obstbaumkrebs:

  • Regen an mehr als 9 Tagen pro Monat
  • Temperaturen zwischen 5 °C und 16 °C mind. 1/3 des Tages
  • Langanhaltende Feuchtigkeit auf dem Baum (mind. 6h Feuchtigkeit benötigt der Pilz um den Baum zu infizieren)

Klimawandel fördert die Verbreitung des Obstbaumkrebses Richtung Süden: Bodensee und Steiermark gebt acht!

Seit Mitte der Neunziger sammle ich Wetterdaten aus der Bodenseeregion, aber auch aus dem Alten Land für ein Langzeitprojekt über Schorfbefall an Äpfeln. Dabei sind die Wintertemperaturen in den letzten 15 Jahren in der Bodenseeregion stark angestiegen. Gab es Anfang der 2000er noch 3 Wintermonate mit Durchschnittstemperaturen unter dem Gefrierpunkt, ist es jetzt höchstens noch einer. Regen statt Schnee und Temperaturen über 5°C sind keine Seltenheit am Bodensee mehr. Auch in der Steiermark gab es im Winter 2018/19 gerade mal einen Monat mit durchschnittlich -1 ° C und einen Monat mit durchschnittlich 0°C. Im Winter 2010/11 waren es noch 3 Monate.

In der eingangs erwähnten Studie haben die Forscher mal in die Glaskugel geschaut, ich meine Prognosemodelle ausgewertet. Die sagen ab 2071, also in gut 50 Jahren, einen Deutschlandweiten Temperaturanstieg im Winter von +3,9°C, im Herbst +3,5°C, im Sommer +3,2°C und im Frühling von +1,8°C voraus. Vor allem im Süden Deutschlands werden die Temperaturänderungen größer ausfallen als im Norden der Republik.

Da bereits in den letzten 15 Jahren die Frostdauer im Winter in der Region Bodensee und Steiermark stark abgenommen hat, musst du ab sofort mit der Gefahr Obstbaumkrebs das ganze Jahr über rechnen. Du kannst dich nicht im Herbst und Winter ausruhen, sondern musst bereits vor dem Blattfall aktiv werden. Die Winter werden milder und regenreicher. Der Obstbaumkrebs ist somit auf dem Vormarsch Richtung Süden.

Welche Apfelsorten besonders durch den Obstbaumkrebs gefährdet sind und wie du ihn bekämpfen kannst, liest du bald in unserem nächsten Artikel.