Erst warten wir vergeblich auf den Winter und ärgern uns über die milden Temperaturen, die das Obstbaumkrebsrisiko fördern. Und nun auf einmal sind Minustemperaturen vorhergesagt. Und das genau zu einem Zeitpunkt, wo der Großteil der Obstplantage schon in voller Blüte steht! Das heißt also wieder schlaflose Nächte.
Wie kannst du deine Obstplantage vor dem gefährlichen Blütenfrost schützen? Da gibt es einige Möglichkeiten, die ich dir vorstellen möchte. Aber fangen wir mal von vorne an.Nicht jeder Frost ist eine Gefahr für deine Blüten
Dir als Erwerbsobstbauer treibt eine kalte Frostnacht im Frühling immer öfter einen eisigen Schauer über den Rücken. Erfrieren die Blüten in deiner Obstplantage, gibt es keine Früchte und somit keine Ernte. Durch die milden Winter der letzten Jahre ist die Vegetation schon viel früher am Start. Dieses Jahr (2020) sogar schon 2 Wochen! Späte Fröste werden deshalb umso gefährlicher. Aber musst du wirklich immer bei kalten Nächten um deine Ernte bangen?
Wann sind Minustemperaturen für die Obstblüten gefährlich?
Nicht jede frostige Nacht ist gefährlich. Hier eine kleine Auflistung, wann du auf der Hut sein musst.
Die Vegetation hat begonnen: Zeigen sich erste Blütenknospen und Triebe wird es gefährlich. In dieser Tabelle kannst du die Empfindlichkeit des Apfels während der Entwicklung ablesen (Quelle: FAO, 2005).
Zur Vollblüte sind mit ersten Schäden ab -3°C zu rechnen. Bei -4 sind ein über 90 % der Blüten erfroren. Bei Weißblüte können die restlichen 10% aber immer noch zu einer guten Ernte reichen. Ab -5°C sieht es dann düster aus. Wenn gerade diese Temperaturen angesagt sind, kann ist eine geringe Temperaturerhöhung den großen Unterschied ausmachen.
Junge leben gefährlicher als Alte: Nach dem Blattfall begibt sich der Baum sozusagen in den Winterschlaf. Er lagert alle verfügbaren Wirkstoffe aus den Blättern ein (deshalb werden sie bunt) und härtet sich für den Winter ab. Die sogenannte Frosthärte baut er jedoch nur auf, wenn ab Herbst die Temperaturen nach und nach unter den Gefrierpunkt fallen. Tun sie das nicht, so kann er keine Frosthärte aufbauen. Für einen erwachsener Baum, der sich bereits ein paar Jahre in deiner Anlage befindet, ist es nicht so schlimm. Er verträgt ohne weiteres Temperaturen von bis zu -25°C. Bei neu gepflanzten Bäumen ist da schon mit ersten Ausfällen zu rechnen.
Auf die Sorte kommt es an: Je nach Sorte reagiert jeder Baum anders auf Fröste. Hier kommt es darauf an, wie lange der Baum blüht (Blühdauer), wie starkt er blüht und wie weit die Baumentwicklung sonst so vorangeschritten ist. Bei Sorten, die auch bei schlechtem Wetter auf einen Schlag in voller Blüte sind, kann ein Spätfrost alles vernichten. Ebenso bei Sorten, wo die Blüten vor den Blättern erscheinen. Ohne Laub sind die Blüten schutzlos der Kälte ausgesetzt. Klar, dass das kein gutes Ende nehmen kann. Und zu guter Letzt spielt auch die Herkunft der Sorte eine Rolle. Kernobstsorten aus eher südlicheren Gefilden treiben viel eher aus und sind somit auch empfindlicher bei Frösten. Empfindliche Sorten sind Boskoop und Elstar bei den Äpfeln und Alexander Lucas bei den Birnen.
Die Bayr. Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau hat nach dem Frostergebnis 2017 verschiedene Obstkulturen hinsichtlich ihrer Frostempfindlichkeit untersucht. Hier die Ergebnisse, falls du nachlesen möchtest.
Nicht nur Blüten sind in Gefahr: Aber auch wenn die Blüte vorbei ist, kannst du dich nicht in Sicherheit wiegen. Die Wahrscheinlichkeit starker Spätfroste nach der Blüte sinkt zwar, aber eine Frucht von einem Durchmesser von 1 - 20 mm Fruchtgröße hält nur -1,5°C aus. Sind die Temperaturen deutlich niedriger, so kann der Baum auch hier die Früchte nicht mehr halten und sie fallen ab.
Frost ist nicht gleich Frost: Bei Frostereignissen musst du tatsächlich die Art des Frostes unterscheiden! Wenn bei bedecktem Himmel starke Frostwinde herziehen, sind die windexponierten höheren Lagen besonders gefährdet. Es gibt keine wesentlichen Temperaturunterschiede (Strömungsfrost). Frostschäden sind hauptsächlich in den höheren Bereichen der Obstanlage zu finden.
Kommt es jedoch zu einem Kälteeinbruch bei klarem wolkenfreiem Himmel mit nachlassendem Wind, können die Temperaturen schnell stark absinken (Strahlungsfrost). Dann sind die unteren Bereiche der Bäume besonders gefährdet. Je nach Temperaturdifferenz kann es sein, dass sie dann nur noch an den oberen Ästen Früchte tragen, oder gar keine Früchte mehr haben.
5 Maßnahmen, mit denen du deine Blüten vor Frost schützen kannst
Nun stehst du als Profi dem Problem Frost nicht mehr ganz so schutzlos gegenüber wie noch eine Generation vor dir. Es gibt mittlerweile einige Möglichkeiten Frostschäden zu verhindern. Wir stellen dir 5 Maßnahmen vor, die deine Obstblüten vor Frost schützen und dir deine Ernte sichern.
1. Frostschutzberegnung: Wenn dir genügend Wasser zu Verfügung steht, kannst du dir eine besondere Fähigkeit des Wassers zu Nutze machen und deine Obstanlage durch Frostschutzberegnung schützen. Dies funktioniert hervorragend im Kernobst. Im Alten Land können sogar fast alle Apfelflächen „gegen Frost“ beregent werden. Dabei wird das Wasser über die Krone beregnet. Der ganze Baum wird nass und das Wasser gefriert am Baum. Durch die Veränderung des Aggregatzustandes von flüssig zu fest (Eis) wird Energie frei, die wie eine Heizung funktioniert. Die Blüte oder die junge Knospe ist von Eis umhüllt, das Wasser gibt Wärme ab und die Temperatur in der Blüte fällt nicht unter 0°C. Blüte geschützt, Ernte gesichert!
Dies klappt jedoch nur, wenn du genügend lange beregnest. Kommt es zu starken Winden, so kann das auch manchmal nicht mehr funktionieren.
Die Frostschutzberegnung im Kernobst erfolgt normal „über Kopf“. Der ganze Baum wird mit Wasser übersprüht. Das Wasser gefriert und der ganze Baum steht unter einem Eispanzer.
Der Regner dafür überragt deshalb die Bäume.
Die Frostschutzberegnung im Steinobst erfolgt ganz anders als im Kernobst. Hier wird das Wasser auf dem Boden verteilt, die Bäume bekommen nichts ab. Das Wasser auf dem Boden gefriert und setzt Wärme frei, die dann auch die Luft erwärmt und somit die Knospen vor dem erfrieren rettet.
Der Regner dafür steht am Boden. Dies ist notwendig, da das Steinobst das „über Kopf beregnen“ nicht verträgt. Die Blüten werden trotzdem nicht befruchtet und fallen ab. Zudem verbreiten sich Bakterienerkrankungen wie Pseudomonsas dadurch verstärkt.
Für die Frostschutzberegnung benötigt man viel Wasser. Je Frostnacht so zwischen 20 - 40 mm Regen. Das sind dann schon mal 200–400 m³ an Wasser je ha zu beregnender Fläche. So viel Wasser gibt es nur im Alten Land und an wassernahen Obstflächen, wenn das Wasser auch verwendet werden darf. Das Wasserrecht ist nicht einfach und abhängig wo der Betrieb liegt.
Hast du in deiner Obstplantage kein Wasser zur Hand, so musst du nicht die Flinte ins Korn werfen.
2. Mit Kalium gegen Blütenfrost: Insbesondere Kaliumnitrat kann die Frosthärte der Obstgehölze erhöhen, denn es wirkt wie ein Frostschutzmittel auf die Blüten. Die Kalium-Düngung muss jedoch rechtzeitig erfolgen. Kurz vor der Frostnacht bringt das nichts mehr. Mit Vitamin E wurden auch schon viele Erfahrungen gesammelt. Das kann prinzipiell wirken, die Behandlung muss jedoch exakt 24 Stunden vor der Frostnacht erfolgen. Zu früh oder zu spät behandelt bringt wenig, und genau das war auch der Knackpunkt.
3. Frostschutz durch Verdunstungshemmer: Hintergrund dabei ist, dass durch die Verdunstung von Wasser die Umgebung abkühlt. Damit kann die Blüte sogar bis zu 4 Grad kälter werden, als die Umgebung. Verhindert bzw. reduziert man die Verdunstung von Wasser während einer Frostnacht, kann das zu einer Temperaturerhöhung führen und somit die Frostschäden reduzieren. Dass das funktioniert zeigen viele Versuche mit unterschiedlichsten Präparaten. Dies wurde bereits 1993 an der Forschungsanstalt Geisenheim an Kirschen mit dem Zuckerester von Speisefettsäuren bestätigt. Diese solltest du am Tag oder in der Nacht vorher ausbringen. Es sind auch gute Ergebnisse bei der Verwendung von Netzmitteln auf Stärkebasis oder mit Kiefernöl.
Aktuelle Versuche zeigen auch eine Wirkung von Präparaten auf der Basis von Maltodextrin als Verdunstungshemmer. In Deutschland gibt es ein Pflanzenschutzmittel, welches Maltodextrin als Wirkstoff enthält (Kantaro bzw. Eradicoat) und in allen Kulturen gegen Spinnmilben und Blattläuse zugelassen ist. Damit ist der Wirkstoff zur Anwendung zugelassen und schnell verfügbar. Ein großer Vorteil wenn es darum geht, die Blüten zu schützen.
Wenn die Trockentemperatur unter -6°C fällt, helfen dir Verdunstungshemmer leider nicht weiter. Dann musst du auf andere Maßnahmen zurückgreifen.
4. Frostkerzen und andere Heizquellen: Was hilft immer gegen Kälte und Frost? Wärme natürlich! Im Obstbau kommen deshalb auch Frostkerzen, Frostöfen oder andere Heizquellen zum Einsatz, wenn Blütenfrost droht. Gerade dort wo Wasser nicht im Überfluss vorhanden ist, kann das Aufstellen einer externen Wärmequelle eine Alternative sein. Je nach dem wie eng du die Wärmequellen aufstellst, desto mehr Energie wird freigesetzt und desto besser ist auch der Frostschutz.
In der Steiermark hat man 2018 die 5 gängigsten Frostkerzen mal genauer unter die Lupe genommen. Es wurde die Handhabung und die Brenndauer überprüft, ermittelt wie viel Energie letztendlich pro Kerze freigesetzt wurde und geschaut, ob die Hersteller auch nicht bei ihren Angaben geschummelt haben. Hier der Test zum Nachlesen.
Früher wurde auch Heu und Stroh verbrannt. Wegen den erheblichen Gefahren durch das Feuer und der starken Rauchentwicklung wird heute davon Abstand genommen.
Auf jeden Fall solltest du immer die Feuerwehr informieren, wenn du mit planst deine Blüten mittels Frostkerzen oder anderen Feuerquellen vor der Kälte zu schützen. Wissen die Herrn und Frauen nicht Bescheid und müssen ausrücken, kann es teuer werden.
5. Wer Wind sät, wird Wärme ernten: Beim Einsatz von Windanlagen eignet sich besonders bei Inversionswetterlagen. Dies ist bei Strahlungsfrost der Fall, wenn sich in kalten Nächten die Temperaturen in Nähe des Bodens stark abkühlen und über der Obstanlage noch wärmere Luft vorhanden ist. Die Windmaschine nutzt dies aus, indem sie die warme Luft von oben ansaugt und dann in die Anlage pustet. Die Lust wird durchmischt und kann so den für die Blüte entscheidenden Temperaturunterschied machen.
Steht keine Windmaschine zur Verfügung, kannst du auch schon mal Hubschrauber ordern, die dann die Luftschichten durchwirbeln. Da dies die ganze Nacht geschehen muss, ist das kein billiger Spaß. Deshalb sind auch Windanlagen zu finden, die man im vorbeigehen mit kleinen Windkraftanlagen verwechseln könnte. Diese produzieren jedoch keinen Strom, sondern Wind, meist angetrieben vom Traktor oder anderen Motoren.
Eine interessante Präsentation über alternative Frostbekämpfungsmaßnahmen wie Frostkerzen und Windanlagen ohne Wasser hat das Referat 5 der Versuchsstation Obst- und Weinbau Haidegg zusammengestellt.
Nun hast du Väterchen Frost erfolgreich in die Schranken gewiesen
Frostnächte im Frühling können dich als Erwerbsobstanbauer ganz schön zum Bibbern bringen. Dabei liegt es nicht an den Temperaturen, denn die Winter werden immer milder. Nein, die Obstbäume fangen immer eher an zu blühen und sind demzufolge viel anfälliger gegen Spätfröste als sie es bei noch geschlossenen Blüten wären. Wir haben dir in diesem Artikel erklärt wann genau du deine Obstplantage vor Frost schützen musst und welche Maßnahmen du dabei ergreifen kannst.
Hast du genügend Wasser zur Verfügung, so ist die Frostberegnung vielleicht deine erste Wahl. Stehen deine Obstbäume nicht in Wassernähe, so kannst du auf Verdunstungshemmer, Kaliumnitrat, Frostkerzen und -öfen oder auf Windmaschinen zurückgreifen.
Hat der Frost einmal deine Apfel- bzw. Birnblüten erwischt, so muss dies nicht immer einen totalen Ernteausfall bedeuten. Überstehen 10 % der Blüten den Frost, so kann es immer noch für eine gute Ernte reichen.
Alle Quellen nochmal im Überblick:
http://www.fao.org/3/y7223e/y7223e00.pdf#[0,{%22name%22:%22Fit%22}]
https://www.lwg.bayern.de/gartenbau/obstbau/185658/index.php
https://www.agrarinfo.de/certisbelchim/163.htm
http://freilandwind.de/wp-content/uploads/2014/10/Bachelorarbeit1.pdf
http://freilandwind.de/wp-content/uploads/2014/10/Bachelorarbeit1.pdf
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