,Eigentlich ist es mir unangenehm. Aber ich freue mich wirklich jedes Mal wie ein Kind wenn ich davor stehe: vor einer Beizanlage! Vor so einer richtig großen, wo du den Strom des Getreides Stück für Stück mit deinen Augen nachverfolgen kannst. Bis sie erdbeerrot in den Sack plumpsen. Hach, ist das faszinierend! Da stand ich nun letztens vor so einem Saatgutaufbereiter und fragte mich plötzlich, wie das wohl mein Opa damals gemacht hat. Ob es da auch schon Beizanlagen oder Beizmittel gab? Irgendetwas hatte ich da mal gelesen. Vielleicht sollte ich das nochmal recherchieren …
Saatgut-Beizung – eine Erfindung der Neuzeit?
Ich war überrascht, dass das Thema Saatgutbeizung schon so alt ist, als ich meine staubigen Bücher aus der Kiste vom Dachboden holte. Im Internet konnte man zwar ein bisschen dazu finden, aber auch nicht so viel wie ich wissen wollte. Na dann man los!
Bereits die Römer und Ägypter wussten wie wichtig der Schutz ihres Getreides vor Krankheiten ist, schließlich gab es ohne Ernte nichts zu essen. Und Not macht erfinderisch! Dementsprechend einfallsreich waren unsere Vorfahren. Könntest du dir noch vorstellen, Pflanzenextrakte wie Oliventrester oder Zwiebellauge als Beizmittel zu benutzen? Aber was tut man nicht alles, um sein wertvolles Saatgut vor Krankheitserregern und Pilzen zu schützen.
Viele Jahre später hob Kollege Zufall die Getreidebeizung auf ein neues Level. Ein gesunkenes Handelsschiff vor der Küste Englands hatte Getreide an Bord. Dieses kostbare Gut konnte man nicht einfach auf dem Grund des Meeres liegen lassen. Und da das Schiff nur unweit der Küste gekentert war, konnte das Getreide geborgen werden. Das salzige Meerwasser entpuppte sich als ideales Beizmittel, um das Saatgut vor Bränden zu schützen. Diese zufällige Entdeckung war der Meilenstein in der Saatgutbehandlung!
Wer im Inneren des Landes lebte und kein Salzwasser zur Verfügung hatte, hantierte stattdessen mit Jauche, Urin, Asche oder Laugen als Beizmittel. Man gut, dass diese Zeit vorbei ist. Aber es sollte noch unangenehmer werden. Kluge Köpfe experimentierten später mit Arsen, Kupfersulfaten und Quecksilberchloriden herum, nichts ahnend, dass diese Stoffe hochgiftig und stark schädigend für den Anwender sind. Aber wie sagt man so schön: „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.“
Auch wussten damals viele nicht, dass bereits kleinste Mengen an Wirkstoff ausreichen, um das Saatgut und die sich daraus entwickelnden Pflanzen zu schützen. Und heute ist das leider oft noch genauso. Dabei ist die Saatgutbeizung die gezielteste Pflanzenschutzmaßnahme, die es gibt! Doch wovor schützt die Beizung eigentlich?
Vor welchen Krankheiten schützt das Beizen?
Die Beize schützt dein Getreide ab der Aussaat über das Auflaufen hinaus vor boden- und samenbürtigen Krankheiten. Je nach Beize kannst du so bis zu 40 Tage Schutz vor unliebsamen Ährenkrankheiten haben. Man kann die Krankheiten in 4 Gruppen einteilen, je nach dem wo die Infektion stattfindet:
- Infektion des Samens: die Krankheitssporen werden durch Dreschen bzw. durch Brandbutten (dort drin leben die Sporen) freigesetzt und setzen sich direkt auf die Körner. Die häufigsten Krankheiten sind Weizensteinbrand und Zwergsteinbrand bei Weizen und Dinkel, Hartbrand bei Gerste sowie Stängelbrand bei Roggen
- Infektion der Blüte: Pilzsporen infizieren die Blüte der Mutterpflanze, keimen dort aus und werden mit den befallenen Saatkörnern in die neue Generation übertragen. Bedeutende Krankheiten dieses Typs sind Flugbrand an Gerste, Weizen und Hafer, sowie die Drechslera-Streifenkrankheit an Gerste und Hafer
- Infektion der Ähre: Die Sporen befallen die Körner und Spelzen der Ähre, wachsen in die Samenschale ein. Beispielkrankheiten sind Netzflecken, Fusarium-Arten, Schneeschimmel, Ramularia
- Infektionen über den Boden: hier gibt es 3 Möglichkeiten, wie sich das Getreide infizieren kann:
- Die Sporen aus der Sameninfektion (oben) überleben im Boden und infizieren dort den Keimling – Krankheiten siehe oben
- Sporen und Myzel bleiben auf Ernterückständen haften: Schwarzbeinigkeit, Fusarium-Arten, Schneeschimmel
- Pilzgewebe in der Erde überzieht den Keimling: Typhula, Rhizoctonia
Puh! Das sind ja wirklich viele Krankheiten, die du durch die Saatgutbeizung verhindern kannst. Leider gibt es aber keine Beize, die gegen alle boden- und samenbürtigen Krankheiten wirkt. Deshalb solltest du immer eine Kombination aus einer bodenwirksamen Komponente, die eine Schutzzone (den sogenannten Beizhof) bildet, sowie einer systemischen Komponente einsetzen. Diese kann nämlich in die Pflanze eindringen und selbst tief im Korn sitzende Pilze bekämpfen.
Saatgutbeizung – mit wenig viel erreichen
Beizen schützen dein Saatgut vor Schadpilzen. Ohne sie könntest du dich von gesunden Beständen und hohen Ernteerträgen verabschieden. Auch ich steh oft wie der Ochs vor’m Berg wenn ich befallene Keimlinge oder Ähren sehe, denn seit fast 30 Jahren wird überall konsequent gebeizt. Im Zuge des Bio-Booms kommen mir jedoch immer häufiger Flugbrand und ähnliche Krankheiten unter die Nase.
Achte deshalb auf sorgfältig gebeiztes Saatgut! Die optimale Verteilung des Beizmittels ist besonders wichtig. Ein Zuviel und schwupps sinkt die Keimfähigkeit und deine Pflanzen laufen schlechter auf. Nimmst du zu wenig, sinkt der Wirkungsgrad und die fungizide Wirkung ist auch nicht von langer Dauer. Aus diesem Grund werden gebeizte Saatgutpartien mit der Beizgradanalyse auf ihre Qualität kontrolliert. Auf was du beim Beizen noch achten musst, welche Auflagen du kennen solltest und welche Beizverfahren es gibt, liest du in einem anderen Artikel.