Prächtig sehen sie aus, die Gravensteiner! Die ersten Sommeräpfel sind fast reif und müssen jetzt auch schnell gepflückt werden. Auf ihrer Reise in den Handel dürfen sie dann noch ein bißchen nachreifen. Lange kann ich diese Sorte leider nicht lagern, denn sie werden schnell mehlig.
Ich nehme einen in die Hand und schaue ihn genauer an. Keine schwarzen Pünktchen weit und breit. Sehr gut! Und an den Blättern? Hmmm, die liegen leider nicht mit in der Kiste. Mist! Der Schorfpilz kann überall zuschlagen, auch in deinem Kühllager. Das heimtückische an diesem Pilz sind seine vielen Gesichter. Ein früher Befall zeigt sich ganz anders als ein Befall kurz vor der Ernte. Da sieht man nämlich an den Früchten meist noch gar nichts von dem Eindringling und erlebt dann erst Wochen später im Lager seine böse Überraschung.
Wie du Schorfbefall eindeutig erkennst und wie du daran den Infektionszeitpunkt ablesen kannst, erfährst du in diesem Artikel.
Gesicht Nr. 1 - Frühschorf
Venturia inaequalis, der Apfelschorf, treibt das ganze Jahr über in deiner Anlage sein Unwesen. Zudem vermehrt er sich auf zweierlei Art, was ihn noch schwerer zu fassen macht. Genaueres über die Vermehrung des Schreckgespenstes Apfelschorf haben wir dir schon berichtet.
Wenn der Frühling die ersten warmen Sonnenstrahlen durch die knorrigen Äste deiner Apfelbäume blitzen lässt, beginnt auf dem alten Herbstlaub zwischen den Reihen der Schorfpilz mit seiner Fortpflanzung. Er bildet winzige Sporen, die wie kleine Fußabdrücke aussehen. Sie machen es sich auf den frischen jungen Blättern, den Blütenknospen oder auch später auf den jungen Früchten gemütlich. Hat er einmal ein Plätzchen auf Blättern oder Früchten gefunden, breitet er sich genüsslich aus und zeigt erstmals sein hässliches Gesicht nach ein bis drei Wochen.
Frühschorf an Blättern
Es beginnt auf der Blattoberseite. Rundliche, dunkelgrüne bis bräunliche Flecken werden sichtbar und breiten sich immer weiter aus. Sie sind nicht klar abgegrenzt und wirken samtig, lassen sich aber nicht wegwischen. Du siehst richtig, wie der Pilz das Blattgewebe zerstört. Hat es deine Blätter ganz stark erwischt, sind die Flecken, oder auch Läsionen genannt, graubraun und ausgetrocknet. Das Blatt verkümmert oder fällt ab. Die größte Gefahr besteht für deine Blätter kurz vor der Blüte, denn die meisten neuen Blätter bildet ein Apfelbaum genau zu diesem Zeitpunkt.
Du musst wissen, dass der Schorfpilz es gern jung und knackig mag. Alte, schon verkorkte Pflanzenteile lässt er links liegen. Deshalb freut er sich ganz besonders über junge Laubblätter. Nach 5-7 Tagen ist das Blatt altersresistent und kann nur noch schwer befallen werden. Durch die Altersresistenz können daher auch nur einige Blätter an einem Langtrieb oder Rosettenblätter der Blüte betroffen sein. Schaust du genau hin, kannst du sogar einen zeitlichen Verlauf der Schorfinfektion erkennen. Die frühen Infektionen findet man häufig am Rosettenblatt oder am 3. bis 5. Langtriebblatt, spätere Infektionen (= Spätschorf) häufig auch am 7. bis 9. Langtriebblatt.
Frühe Schorfinfektionen kurz nach Ablauf der Latenzzeit sind nur leicht aufgehellt, wie du gut in der Bildmitte, am oberen Blattrand sehen kannst. Unten rechts ist hier auch ein weißer Mehltaubefall zu erkennen, aber das ist ein anderes Kapitel.
In diesem Bild ist der Langtrieb abgeschlossen. Kurz vorher hat ihn der Pilz trotzdem erwischt, denn nur die letzten 2 Blätter sind vom Schorf verschont geblieben. Die Blätter vor den infizierten Blättern sind ebenfalls schorffrei, denn sie waren zum Zeitpunkt der Infektion bereits altersresistent.
Später werden die mit Schorf befallenen Blätter werden dann auch schwärzer. Bei starkem Befall kann ein Großteil der Blattfläche betroffen sein. Das Blatt kann an den Stellen, die mit Läsionen überwuchert sind, keine Photosynthese mehr durchführen.
Frühschorf an Früchten
Auch Früchte haben eine Altersresistenz durch die zunehmende Schalenhärte. Dadurch können trotz Blattbefall gesunde Früchte am Baum vorhanden sein. Meist werden dies dann jedoch doch noch befallen, wenn man sie nicht schützt. Und dann steht dir folgendes bevor:
Mit Apfelschorf befallene Äpfel haben dunkle Flecken, die korkig und rissig erscheinen können. Da sich an den Fleckrändern die Kutikula ablöst, erscheinen diese silbrig. Weil die abgestorbenen Schorfflecken nicht mehr mit dem restlichen Apfel mitwachsen können, reißen sie oft ein. So wie die Kruste vom Brot im Ofen oder der Schorf auf dem Knie. Dies sind tolle Eintrittspforten für Mikroorganismen, die Fäulnis verursachen, andere Krankheitserreger oder Insekten. Zudem sind von Frühschorf befallene Äpfel oft nicht so schön rund, sondern eher deformiert.
In diesem Bild siehst du einen mit Schorf befallenen Golden Delicious. Durch den starken Befall bilden sich um die Schorfflecken sogar rote Ränder. Der Baum und der Apfel kämpfen gegen den Schorfpilz.
In einer unbehandelten Parzelle (hier Golden Delicious) sind häufig alle Blätter und alle Früchte mit Schorf befallen.
Hier ist zu sehen, dass neben der Frucht auch der Blattstiel mit Schorf befallen sein kann. In diesem Fall ist es sogar wahrscheinlich, dass Konidien vom Blattstiel auf die Frucht durch Regen gelangt ist und dann diese schwere Infektionen hervorgerufen hat.
Gesicht Nr. 2 - Spätschorf
Beginnt der Pilz mit der Sekundärinfektion, fängt der sogenannte Spätschorf an. Seine Schäden siehst du erst im Sommer und Herbst. Die Konidien, die zweite Generation der Sporen, werden durch Wind und Regen verbreitet und laufen auch gern am Blatt und Stiel entlang bis auf die Früchte.
Blatt- und Fruchtschorf der 2. Generation
Jetzt ist die Blattunterseite dran. Spätschorf kannst du nun auch an älteren Blättern sehen. Ganz viel kleine schwarze Flecken ähnlich wie Sommersprossen überziehen die komplette Unterseite des Blattes. Die Früchte dagegen sind schön rund und nicht missgebildet oder zu klein, wie die von Frühschorf befallenen Äpfel. Jedoch sind sie mit schwarzen Pünktchen übersät, bleiben klein und sind nicht rissig und verkorkt.
Weil der Schorfpilz bei seiner 2. Infektionsrunde diese hässlichen, schwarzen Flecken an Blättern und Früchten hinterlässt, bezeichnet man ihn im Englischen auch als „black spot“ bzw. „apple scab“. Dabei gibt es aber durchaus auch andere Pilze, die schwarze Flecken hinterlassen. So zum Beispiel die Rußfleckenkrankheit oder auch die Fruchtfäulen und Lentizellenflecken. Wie du diese Pilzkrankheiten voneinander unterscheiden kannst, erklären wir dir bald in einem anderen Artikel.
Werden die Früchte erst spät befallen, so sind Schorfflecken kleiner aber meist zahlreich und „schön“ schwarz wie in diesem Bild. Haben die Konidien genug Zeit, so wachsen die Flecken und können auch verkorken.
Während Frühschorf durch Ascosporen/Fußabdrucksporen fast ausschließlich die Blattoberfläche befallen, findet man Spätschorf durch Konidien in Spätsommer auf der Blattunterseite.
Gesicht Nr. 3 - Lagerschorf
Hast du Pech und der Schorfpilz infiziert deine Äpfel erst spät im Sommer oder sogar erst kurz vor der Ernte, musst du mit Lagerschorf rechnen. Insbesondere wenn du die Sommerbehandlungen gegen Schorf ausgesetzt hast, kann es zu massivem Spätschorf kommen. Der Pilz befällt dann die Früchte, was aber zur Ernte sehr selten sichtbar ist. Lediglich an den winzigen schwarzen Punkten unter den Blättern oder an den Früchten kannst du einen Befall erkennen. Erst nach einigen Wochen im Lager bildet sich dann der sogenannte Lagerschorf aus. Deine Äpfel bekommen dann schwarze kleine Flecken, die immer größer werden. Die Haut wird schrumpelig und verliert an Spannkraft.
Diese Früchte kannst du dann leider nur noch zu Apfelsaft verarbeiten. Jedoch hast du Glück im Unglück, denn der Schorf ist nicht auf deine anderen gesunden Äpfel im Lager übertragbar.
Das Gesicht verrät den Wicht
Apfelschorf zählt zu den bedeutendsten Krankheiten im Apfelanbau. Frühschorf, Spätschorf und Lagerschorf – der pilzliche Krankheitserreger hat viele Gesichter. Du kannst nun einen frühen Schorfbefall von einem späten unterscheiden und weißt, dass sowohl Blätter als auch Früchte betroffen sind. Ob Flecken oder Risse, die Verluste durch Apfelschorf sind immens. Was sind die Auslöser von Apfelschorf, wie kannst du ihn bekämpfen und wann besteht die größte Schorfgefahr?
Finde viele weitere nützliche Informationen im Certis Obstbaublog, damit du trotz Apfelschorf kein langes Gesicht mehr machen musst.
Quellen:
https://www.kob-bavendorf.de/Service/krankheiten-und-physiologische-stoerungen/apfelschorf
https://www.apsnet.org/edcenter/disandpath/fungalasco/pdlessons/Pages/AppleScab.aspx