Wir haben zwischen den Dörfern eine Landstraße mit einem altem Apfelbaumbestand. Als Kind freute ich mich immer auf einen Apfel als kleine Zwischenmahlzeit auf dem Nachhauseweg. Heute kann man zu jeder Jahreszeit und an jeder Ecke Äpfel kaufen, so dass ich lange nicht mehr an diese Bäume gedacht habe. Letztens bin ich wieder an einem vorbeigekommen. Die Bäume sahen sehr schlecht aus. Viele kleine Äpfel mit schwarzen Punkten und auch welche mit rissigen Flecken baumelten traurig an kaum beblätterten Zweigen vor sich hin oder waren bereits kraftlos vom Baum gefallen. So sähen viele Äpfel auch aus, wenn sich die Obstbauern nicht um sie kümmern würden, dachte ich so bei mir. Hier hat eindeutig der Apfelschorf zugeschlagen, und zwar bei jedem Baum!

Warum der Apfelschorf so gefürchtet ist und wie du ihn erkennst, erfährst du wenn du weiterliest.

Das Schreckgespenst Apfelschorf

Wusstest du, dass 80 % aller Pflanzenschutzmittel im Obstbau zur Bekämpfung von Schorf eingesetzt werden? Das sind 20 bis 30 Behandlungen pro Saison! Ja, mit Apfelschorf bist du nicht allein. Es ist die weltweit bedeutendste Apfelbaumkrankheit, die dir als Obstanbauer die Freude an deiner Arbeit vermiesen kann.

Sind deine Äpfel mit Schorf gebrandmarkt, kannst du sie praktisch gleich zur Mosterei geben, denn der Handel nimmt sie dir so nicht mehr ab. Aber Apfelschorf verdirbt dir nicht nur deine Erträge. Ein Befall wirkt sich auch generell negativ auf die weitere Entwicklung deiner Bäume aus. Deshalb ist diese Krankheit auch wirtschaftlich die wichtigste im Anbau.

Leider verunstaltet der Schorf nicht nur deine Äpfel. Laut Wikipedia gibt es 57 Arten von Schorfpilzen der Gattung Venturia (oh Spoileralarm – die Krankheit wird von einem Pilz verursacht!), die auch Birnen, Pfirsiche, Kirschen, aber auch Laubbäume wie Weiden und Pappeln befallen kann. Jedoch kann der Apfelschorf nur Äpfel befallen und der Pfirsichschorf nur Pfirsiche usw. Wenigstens etwas.

Hat sich nun unser Apfelschorf einmal breit gemacht, schwächt er seinen Wirt (also deine Apfelbäume), so dass sich andere pilzliche Krankheitserreger, oder auch Insekten, wie die Mehlige Apfellaus (Dysaphis plantaginea) oder den Apfelwickler (Laspeyresia pomella), mit Freude zu ihm gesellen. Die rissigen Schorfstellen ziehen Fäulnis verursachende Mikroorganismen an, die bis zu 70 % deiner eingelagerten Äpfel verderben können. Fruchtinfektionen nehmen zu und der Pilzbefall auf den Blättern bewirkt einen frühzeitigen Blattfall, so dass sogar das Wachstum gehemmt und die Frostempfindlichkeit steigt. Sagen wir mal so: Von Schorf hast du länger etwas.

Apfelschorf unter der Lupe: Kenne deine Feinde besser als deine Freunde

Venturia inaequalis, wie man in Fachkreisen den Apfelschorf nennt, ist ein Pilz. Genauer gesagt gehört er zur Gruppe der Schlauchpilze. Die heißen so, weil sie sich über schlauch- oder sackförmige Gebilde fortpflanzen, die sogenannten Pseudothecien.

Schorfinfektion Runde 1: Sexuelle Vermehrung und Primärinfektion des Schorfpilzes im Frühjahr

Unsere kleinen Säckchen entwickeln sich nach der Befruchtung im Frühjahr auf altem Laub. In ihrem Hohlraum bilden sie eine dichte Matte aus Pilzmyzelien, das Stroma. Dort werden die Asci und Ascosporen geboren. Asci sind die Sporenschläuche mit jeweils acht Ascosporen, die schön in Reih und Glied hintereinander ausharren, bis sie endlich raus dürfen. Sie sind braun, zweizellig und sehen aus wie ein kleiner Fußabdruck. Deshalb heißt der Schorfpilz auch mit zweitem Namen "inaequalis", was sich auf die ungleiche Größe der Zellen bezieht. Du fragst dich, ob du diese kleinen Dinger auch mit bloßen Augen sehen kannst? Ascosporen sind zwischen 5 und 7 µm breit und zwischen 11 und 15 µm lang. 15 Mikrometer entsprechen 0,015 Millimeter, was ungefähr der Größe von Feinstaub oder auch von Bakterien entspricht. Hast du schon mal ein Bakterium aus der Nähe gesehen? Ich nicht.

Primärinfektion des Apfelschorfes: Pseudothecien schleudern Ascosporen ausVenturia inaequalis macht es sich also den Winter über auf altem Laub schön gemütlich. Damit der Pilz seine Säckchen - die Pseudothecien - bilden kann, möchte er es feucht haben. Ist es lange Trocken, kommt er erst später in die Gänge.

Ist es im Frühjahr zwischen 8 und 12°C warm, entstehen die Asci, unsere Sporenschläuche. Deine Apfelbäume befinden sich dann zwischen dem Knospenaufbruch und Mausohrstadium (BBCH 7-10), was bei milden Wintern sogar schon Ende Februar der Fall sein kann. Die Ascosporen reifen erst bei 16 bis 18°C, also nach dem Mausohrstadium bis 1-2 Wochen nach Blütenfall (BBCH 10 – 69). Ein wirklich langer Zeitraum, in dem die Ascosporen auch nicht alle gleichzeitig reif werden! Kommt nun noch Regen (schwerer Tau reicht nicht aus) hinzu, schwellen unsere reifen Säckchen an und ragen aus der Oberfläche der alte, im letzten Herbst abgefallenen Laubblätter hervor. Nun ist es auch für die kleinen Fußabdruck-Sporen soweit. Sie werden durch Regen und Wind regelrecht aus den Sporenschläuchen geschleudert und zu Blüten und Blättern getragen. Bis in 10.000 m Höhe wurden sie schon gefunden. So ein einsamer Apfelbaum an der Landstraße wie in meiner Heimat birgt da ein enormes Infektionspotenzial für deine Apfelbäume. Sind unsere Fußabdruck-Sporen einmal unterwegs, können sie mit ihrer eigentlichen Arbeit beginnen: der (Primär-)Infektion ihres Wirtes, deines Apfelbaums, und hinterlassen dabei Läsionen, aufgeplatzte raue Flecken! Wie du diese frühe Infektion genau erkennen kannst, erfährst du im Artikel „Frühschorf, Spätschorf, Lagerschorf - die 3 Gesichter des Apfelschorfs“.

Schorfinfektion Runde 2: Sekundärinfektion und asexuelle Vermehrung

Du glaubst damit hat es sich erledigt? Schön wär's! Der Schorfpilz verfügt nämlich über insgesamt zwei Entwicklungsphasen: die sexuelle und die asexuelle Reproduktion. Unsere freigesetzten Fußabdruck-Sporen möchten sich nun auf den frisch gebildeten Blättern und Blütenknospen häuslich niederlassen und vermehren, womit wir bei der asexuellen Vermehrung wären.

Innerhalb von 9 bis 30 Tagen bilden die von unseren Ascosporen (Fußabdruck-Sporen) verursachten Läsionen asexuelle Konidien. Dies sind nun neue asexuelle Sporen, die sich auf den umliegenden gesunden Blättern und sich entwickelnden Früchte verteilen und die sogenannte Sekundärinfektion verursachen, und zwar auch gern mehr als einmal pro Saison. Eine Läsion kann dabei locker bis zu 100.000 Konidien in ihrer Umgebung verteilen! Es ist somit auch kein Wunder, dass es häufiger zu regelrechten Schorfepidemien kommt. Das geht aber nur, wenn die Blätter / Blüten sie mit einem Wasserfilm willkommen heißen und auch die richtige Wohlfühltemperatur herrscht. Ist die Keimung dann erst einmal eingeläutet, braucht Venturia inaequalis weder Regen noch Tau. Jetzt genügt schon eine hohe Luftfeuchtigkeit von über 95 %.

Infektionszyklus des Apfelschorfes (Venturia inaequalis)

Der Schorfpilz lässt dir keine Zeit zum Durchatmen. Die zweite Infektionswelle tritt nämlich hauptsächlich im Mai und Juni auf, also direkt nach der ersten bzw. auch gern noch parallel. Sind die Bedingungen für den Pilz jedoch günstig, z.B. wenn es schön feucht und warm ist, kann sich die Infektionszeit auch bis in den Herbst hineinziehen.

Am kräftigsten Hebel für die primäre und die sekundäre Infektion sitzen Temperatur und Feuchtigkeit. Die Witterung ist aber nicht der einzige Bestimmer des Infektionsgeschehens. Auch dein Apfelbaum hat hier etwas zu melden. Sein Gewebe kann mehr oder weniger schorffreundlich sein. Bestimmt wird dies durch die Sorte (bzw. den Genotyp) und durch das Lebensalter der Pflanze.

Apfelschorf - Ein Schrecken ohne Ende? Das muss nicht sein!

Sich mit dem Partner in altem Laub tümmeln oder Fußabdrucksporen verteilen? Das ausgeklügelte Vermehrungsverhalten des Schorfpilzes hast du nun ausführlich kennengelernt. Doch einwandfrei erkennen kannst du ihn jetzt leider noch nicht. Denn er ist raffiniert. Je nach dem zu welchem Zeitpunkt er deinen Apfelbaum befällt, kann er ganz verschiedene Gesichter aufsetzen. Wie du ihn zweifelsfrei identifizierst, liest du in unserem Artikel „Frühschorf, Spätschorf, Lagerschorf – die 3 Gesichter des Apfelschorfes“.

 

Quellen:

https://core.ac.uk/download/pdf/36428557.pdf

https://www.apsnet.org/edcenter/disandpath/fungalasco/pdlessons/Pages/AppleScab.aspx

https://www.kob-bavendorf.de/Service/krankheiten-und-physiologische-stoerungen/apfelschorf

https://www.julius-kuehn.de/media/Institute/OW/_FT3_KranheitsprognoseOB/KrankheitsprognoseObstbau_Ehlert2.pdf