Dieses Jahr ging ich top vorbereitet ins Rennen. Die Weizensorte habe ich sorgfältig für diesen Standort und die zunehmende Trockenheit ausgesucht, die Aussaatbedingungen waren optimal, es gab Regen nach der Saat, der Feldaufgang war klasse. Immer wieder begucke ich zufrieden meinen Acker, Pilzkrankheiten sind dieses Jahr eigentlich kein Thema. Doch plötzlich fällt mir etwas Merkwürdiges auf: Zwischen all den grünen Ähren entdecke ich nesterweise weiße, die keine Körner enthalten.
Eine weiße Ähre zeigt uns erst einmal, dass es die Pflanze aus irgendeinem Grund nicht geschafft hat, ihre Ähre mit Wasser und Nährstoffen zu versorgen. Es kam zu einem Mangel. Der wiederum führte zu einer Weißfärbung der Blüten und dem Ausbleiben des Fruchtansatzes. Die Ursachen für diesen Mangel können verschieden sein. Auf der Liste der Verdächtigen stehen:
1. Schwarzbeinigkeit (Gaeumannomyces graminis)
2. Halmbruch (Pseudocercosporella herpotrichoides)
3. Spitzer/scharfer Augenfleck (Rhizoctonia ceralis)
4. Fusarien, meistens Fusarium culmorum
5. Schädlingsbefall mit Halmfliege, Sattelmücke oder Thripsen
Der Mediziner würde jetzt von einer Differenzialdiagnose sprechen. Sprich: Wir gucken uns genau die Symptome und Umstände an, um herauszufinden, welcher dieser sechs Übeltäter uns hier den Ertrag kostet. Ich betrachte also meine Pflanzen genauer. Von oben bis unten – und zwar bis ganz unten!
Der Klappspaten ist schnell aus dem Auto geholt und ein paar Weizenpflanzen mit Symptomen ausgegraben. Um die Füße des Patienten so richtig begucken zu können, spüle ich die Wurzeln mit Wasser ab. Ach du lieber Himmel! Die sind ja komplett schwarz und vermorscht! Das solche abgestorbenen Wurzeln keine Pflanze ernähren können und die Ähre verkümmert, ist ja logisch.
Somit steht die Diagnose: Schwarzbeinigkeit.
Verantwortlich für diese Pilzinfektion ist der Schlauchpilz Gaeumannomyces graminis. Bitte wie? Ga-i-jo-manno-mü-zes. Das fühlt sich an, wie Gymnastik für die Kaumuskeln. Doch warum hat dieser unaussprechliche Parasit meinen Weizen befallen?
Ob Weizen, Gerste, Triticale, Dinkel oder Roggen; G. graminis ist da wenig wählerisch. Der Pilz überwintert im Boden auf infizierten Ernterückständen und auf Ungräsern, wie z.B. Quecke, Windhalm oder Ackerfuchsschwanz. Sobald die Bedingungen günstig sind, lässt er seine Laufhyphen an der Wurzeloberfläche entlang wachsen und schlägt seine Penetrationshyphen in die Leitbahnen. So saugt er Wasser und Nährstoffe aus der Wurzel wie ein Vampir Blut aus des Opfers Adern.
Das Getreidepflänzchen will sich schützen; lagert Lignin in die Wurzelwände ein, um sie dicker und stärker zu machen. Doch vergebens. Die Wurzeln sterben ab. Die notdürftig gebildeten Ersatzwurzeln reichen leider nicht, um bei dieser Trockenheit die Ähre zu ernähren. Sie wird notreif und taub.
Ähnlich wie Graf Dracula in seinem Sarg schlummert auch G. graminis mitunter jahrelang im Verborgenen, nämlich in fast jedem Boden. Er verlangt ein gewisses Wohlfühlklima, um zu erwachen und sich auszubreiten:
Hast du nun noch den Pflug stehenlassen, früh gesät und eine enge Getreidefruchtfolge, gibt es für den Pilz kein Halten mehr.
Früher war die Schwarzbeinigkeit ein reines Problem von Weizen nach Weizen. Heute sehen wir das Schadbild immer häufiger, die Infektionen scheinen zuzunehmen, obwohl der Stoppelweizen nicht mehr wird.
Warum ist das so? Ein Grund für das höhere Aufkommen ist der gestiegene Getreideanteil in den Fruchtfolgen. Der Raps ist z.T. unwirtschaftlich geworden und wurde häufig durch Getreide ersetzt. Die Sommer werden immer trockener, und um das letzte Bodenwasser zu halten, wird häufig nur flach bearbeitet, der Pflug bleibt stehen. Außerdem erfordert die Trockenheit eine absolut intakte Wurzel, um in den immer heftiger werdenden Trockenperioden in tiefere Bodenschichten vorzudringen und das letzte Schlückchen lebenswichtigen Wassers zu erreichen.
In Zeiten der Luxusversorgung mit diesem Lebenselixier waren auch schon Wurzeln befallen. Es fiel nur nicht auf, weil das Getreide wortwörtlich so gut im Saft stand, dass weniger Wurzelmasse ausreichte, um sich zu versorgen. Verstärkt wird das Problem nun noch durch die gesetzlich verringerten Düngemengen und dem somit spärlicher gedeckten Nährstofftisch.
Kurzum: In den letzten Jahren wurden die Bedingungen für unser Getreide immer schlechter, die für die Schwarzbeinigkeit hingegen immer besser.
Hat der Vampir einmal zugeschlagen und sein Opfer ausgesaugt, hilft der stärkste Knoblauch nicht mehr. Leider ist es auch beim Befall mit Schwarzbeinigkeit so. Wenn du die Symptome – weiße Ähren, schwarze Wurzeln – siehst, ist es zu spät, deine Pflanzen sind verloren. Im Kampf gegen Gaeumannomyces graminis heißt es mit Schillers Worten „Der kluge Mann baut vor.“
Deinen Weizen, deine Gerste, deine Triticale und dein Dinkel kannst du mit einer Beize aus Silthiofam schon vor der Saat schützen. Dies ist jedoch in Roggen nicht erlaubt. Hier musst du auf agronomische Maßnahmen bauen: Vermindere den Anteil an Wintergetreide in der Fruchtfolge und arbeite vorher tief. Außerdem kann ein Regentänzchen für ausreichende Wasserversorgung von oben nie Schaden und hebt die Laune.
Du hast in diesem Artikel erfahren, dass nicht jeder weiße Schopf automatisch Fußpilz hat. Weißährigkeit kann verschiedene Ursachen haben. Eine davon ist die durch den Pilz Gaeumannomyces graminis verursachte Schwarzbeinigkeit. Die Schwarzbeinigkeit tritt immer häufiger in Erscheinung. Dies hat seine Ursachen im veränderten Klima, engeren Getreidefruchtfolgen, bodenkonservierender Bearbeitung und limitierter Nährstoffversorgung.
Ist das Getreide einmal gesät, kannst du gegen diesen Schädling nichts mehr unternehmen. Der einzige Schutz besteht in einer speziellen Beize und in angepasster Agronomie.
Die Wurzel ist das Fundament einer jeden Pflanze. Von oben nicht sichtbar, doch mit seinen Funktionen der Verankerung und der Ernährung besonders schützenswert. Was nicht in die Wurzeln geht, geht auch nicht in die Krone (Afrikanisches Sprichwort). Daher müssen wir unbedingt darauf achten, dass die Wurzeln gesund sind!