Eine Obstbaumanlage gesund zu halten, hält ganz schön auf Trapp. Es gibt kaum einen Monat, indem du mal die Füße hochlegen kannst. Pseudomonas syringae, Monilia laxa, Schorf, Mehltau und dann noch die ganzen Schadinsekten! Wie schön wäre es, nicht immer von einem Feuer zum nächsten zu laufen, sondern sie im Vorfeld gar nicht erst ausbrechen zu lassen? Bei Obstbaumkrebs hast du dazu die Möglichkeit.
Kann ich mir das Problem bereits mit der Sortenwahl vom Hals halten? Wie beuge ich einem Befall in meinem Bestand vor? Fragen über Fragen… Antworten darauf findest du im Netz viele. Aber kaum die Richtigen für professionelle Obstanbauer wie dich. Das soll dieser Artikel ändern.Wie sagte Friedrich Schiller schon in Wilhelm Tell: Der kluge Mann baut vor. Besonders beim Obstbaumkrebs lohnt es sich vorzubeugen, damit es erst gar nicht zu einem Befall kommt. Worauf solltest du also achten?
Nicht alle Apfelsorten sind gleich stark von Obstbaumkrebs betroffen. Wo einige Apfelbäume eine mit Obstbaumkrebs befallene Stelle erfolgreich mit Kalluswucherungen umschließen und noch viele Jahre ohne nennenswerte Schäden weiter gute Erträge einbringen, da sind andere Bäume schon längst über den Jordan gegangen. Welche Sorten hochgradig empfindlich sind und welche für den Krebs nur ein Lächeln übrig haben, ist nicht so einfach zu beantworten.
Ich habe für dich recherchiert und leider überall widersprüchliche Antworten gefunden. Also habe ich einen Obstbaumkrebs-Fachmann im Alten Land angerufen und ihn befragt, wie er die Sorten hinsichtlich ihrer Obstbaumkrebs-Empfindlichkeit einschätzt. Aber Pustekuchen. Auch er kann dies nicht genau beantworten. Noch nicht! Denn er führt aktuell dazu eine Studie durch, die dem Problem auf den Grund gehen soll. Nur leider dauert es noch einige Jahre, bis wir von seinen Forschungsergebnissen profitieren können.
Als wohl gesichert gilt, dass Kanzi (Nicoter) und Rubens (Civni) besonders empfindlich gegenüber Obstbaumkrebs sind. Gewiss wirst du selbst deine eigenen Erfahrungen diesbezüglich gesammelt haben. Ein Umschwenken auf weniger empfindliche Sorten wie z.B. Pinova hilft dir leider nur bedingt. Vor allem da du deine Obstbauplantage mal nicht eben umgestalten kannst wie das der Ackerbauer jedes Jahr mit seinem Feld macht.
Vollständig resistente Apfelsorten wurden leider noch nicht gefunden. Genau wie bei der Suche nach den empfindlichsten Apfelsorten, herrscht auch hier noch großes Forschungspotenzial. Gerade für den Bio-Obstanbau fehlen valide Ergebnisse. Vielleicht wäre dies ein gutes Dissertationsthema für junge, ambitionierte Obstbauern? Denn wer will schon gänzlich auf die leckeren Sorten im Bio-Anbau verzichten, wenn sie im Handel so gut nachgefragt werden?
Der Pustelpilz Neonectria ditissima liebt Tau und Feuchtigkeit. Besonders nach anhaltenden Regenschauern solltest du deine Apfelplantage am besten nur von Weitem betrachten. Denn unser Kumpane Pustelpilz ist ein Wundparasit. Der jubelt regelrecht, wenn Wunden am Baum und Feuchtigkeit zur gleichen Zeit auftreten. Die allererste und beste Möglichkeit dem Krebs vorzubeugen, ist demnach einfach keine Wunden zu verursachen.
Leichter gesagt als getan, denn nicht immer sind Menschen an Wunden Schuld. Einige Verletzungen kannst du leicht vermeiden, indem du z.B. deine Erntehelfer gut schulst, so wenig Blätter und Zweige wie möglich zu verletzen. Bei feuchter Witterung sollten sie erst gar nicht arbeiten. Gegen Astbrüche, Hagelschäden oder Frostrisse kannst du jedoch wenig tun. Du kannst ja schlecht dem Wind sagen, er soll nicht wehen. Hier gibt es wieder eine andere Möglichkeit, wie du deinen Baum schützen kannst. Kommen wir zu Punkt 3.
Sehr empfindlich – besonders bei jungen Obstbäumen – ist der Stamm, besser gesagt seine Rinde. Deshalb solltest du ihn hegen und pflegen. Tu' ihm etwas Gutes und male ihn weiß an. Mit Alpina? Nein, mit Kalkmilch natürlich. Diese Suspension von Calciumhydroxid und Wasser hat fungizide, antibakterielle und antivirale Eigenschaften. Sie ist für die Rinde wie die Creme für deine Haut. Sie wird elastischer und widerstandsfähiger bei Frost, Wind und Wetter.
Bei den Menschen zieht die Creme ein, beim Baum reflektiert die weiße Farbe die Sonnenstrahlen. Die Rinde kann sich so nicht erwärmen und Frostrisse entstehen erst gar nicht. Denn durch eine aufgeplatzte Rinde oder Frostbruch können Pilzsporen viel leichter eindringen als durch eine schöne glatte Oberfläche. Auch Schädlinge finden in der nun ebenen Rinde keinen Unterschlupf mehr. Zudem gilt Calciumhydroxid auch als Dünger, also doppelt gut für deinen Baum.
Du kannst Kalkmilch 2 bis 7 Mal von Ende Oktober bis Ende Dezember anwenden. Und du hast Glück. Kalkmilch kannst du auch als Sprinklerapplikation ausbringen und musst nicht 1000 Bäume per Hand anmalen. Und Fibl gelistete Kalkmilchprodukte gibt’s auch. Trotz Biozulassung denk an deinen Schutz und trag eine Atemmaske bei der Ausbringung.
Obstbaumkrebs findet seinen Weg nicht nur durch Risse in den Baum. Besonders junge Bäume schießen in den ersten fünf Standjahren enorm in die Höhe. Dieses Triebwachstum macht sie auch besonders anfällig. Äste, die aneinander reiben oder abgeknickt sind verursachen an deinem Baum Wunden. Wieder neue Eintrittspforten für den Krebs.
Auch Schlitzäste liebt der Krebs geradezu. Das sind Äste, die du vielleicht auch unter dem Namen Druckzwiesel kennst. Dabei wächst ein junger Ast viel zu steil aus dem anderen, d.h. der Winkel beträgt unter 33°. Logisch, dass in der Gabelung die Rinde nicht richtig zusammenwachsen kann. In solche Stellen sammelt sich zudem gern Feuchtigkeit. Das kennen wir leider selbst viel zu gut. Ich sag nur Achsel… Also wieder eine Stelle, auf die du Acht geben musst.
Deshalb sollte ein gut durchgeführter Obstbaumschnitt mehrmals im Jahr auf deinem Arbeitsplan stehen. Jungbaumschnitt, Erhaltungs- und Verjüngungsschnitte sind gute Möglichkeiten dem Krebs vorzubeugen. Entferne jeden Schlitzast und lose Äste, die aneinander reiben, lichte den Baum aus, damit mehr Licht und Luft drankommt. Frische Schnittwunden können zwischen einer Woche in der Vegetationsperiode und sogar bis zu 3 Wochen im Winter von den Pilzsporen befallen werden. Deshalb nutze als Wundverschluss eine Fungizidbehandlung mit thiabendazolhaltigen Produkten und du bist auf der sicheren Seite.
Auf der Thüringer Obstbaumschnittschule kannst du alles über den perfekten Obstbaumschnitt lernen, wenn du willst. Oder du lässt es vom Fachmann machen. Es gibt übrigens einen speziellen Krebsschnitt. Den kannst du anwenden, wenn deine Vorsorgemöglichkeiten nicht gefruchtet haben.
Wenn Pflanzen gut wachsen und gedeihen, freut sich der Mensch. Bei Obstbäumen sollte jedoch zu schnelles Wachsen bei dir eher keine Freudensprünge auslösen. Denn eine hohe Wüchsigkeit fördert eher einen Befall mit Obstbaumkrebs. Deshalb empfehle ich dir als letzte Vorsorgemöglichkeit beim Dünger nicht zu kräftig zu zulangen. Vor allem stickstoffreiche Düngemittel solltest du lieber im Schrank lassen. Kalkmilch mit Calciumhydroxid ist natürlich eine Ausnahme, da der Wirkstoff hier als Pflanzenschutzmittel eingesetzt wird.
Du weißt jetzt, dass jede Apfelsorte unterschiedlich auf Obstbaumkrebs reagiert und du das Erkrankungspotenzial mit einer wohl überlegten Sortenwahl reduzieren kannst. Kalkmilch und ein regelmäßiger Obstbaumschnitt unterstützen deinen Baum sich gegen den Pustelpilz zu wehren. Vermeidest du dann noch Ernte und Schnitt bei Feuchtigkeit und Regen hast du schon viel gegen einen möglichen Befall getan. Aber leider kannst du dich darauf nicht verlassen, denn die Pilzsporen sind immer aktiv. Lediglich Frost und Trockenheit halten sie - zumindest ein bisschen - auf. Da aber die Winter immer milder werden (siehe Klimawandel im Erwerbsobstbau), musst du stets mit Sporenflug rechnen.
Wenn es bei dir zum Vorbeugen schon zu spät ist, erfährst du in unserem nächsten Artikel wie du Obstbaumkrebs effizient bekämpfen kannst.