Muffige Weine mit einem Hauch von flüchtiger Säure? Der Albtraum eines jeden Winzers! Treffen diese Geschmacksnuancen deine Zunge und Nase, kannst du dich bei Botrytis cinerea, auch Grauschimmel genannt, bedanken. Der Pionier der Pilze lässt deine Beeren faulen und sorgt für drastische Ertrags- und auch Qualitätseinbußen. Nur 5 % befallene Trauben in deinem Lesegut reichen aus, um seine „einzigartige“ Note herauszuschmecken. Er kann aber genauso gut bei erst spätem Befall deinen Trauben den letzten Kick geben, vor allem wenn du edelsüßen Wein anbauen willst. In diesem Blogartikel tauchen wir ein in die außergewöhnliche Welt dieses Pilzes.
Ob Amerika, Neuseeland, Deutschland oder Österreich - Botrytis cinerea ist ein echter Kosmopolit. Er kommt auf der ganzen Welt vor und befällt so gut wie alle Pflanzenarten. Wie die meisten Pilze seiner Art treibt er sein Unwesen als Mycel – den für ihn charakteristischen grauen Pilzrasen – und als Dauerspore.
Auch unser Schimmelpilz lebt nicht von Luft und Liebe allein. Er braucht Nahrung, Wärme und Feuchtigkeit um zu gedeihen. Während sich das Mycel am Holz gütlich tut, freuen sich die Sporen über Pollen und abgestorbene oder kranke Pflanzenteile. Alles was so zwischen deinen Reben liegt, wie Laub aus dem Herbst, Stiele und vergammelte Beeren dienen dem Pilz als Mahlzeit.
Ein bisschen Wärme und Feuchtigkeit und schon keimen die Sporen, die dann vom Wind auf deine Reben getragen werden. Aber was heißt denn „ein bisschen Wärme und Feuchtigkeit“? Und sind das wirklich nur die einzigen auslösenden Faktoren?
Wann droht Botrytis?
Botrytis cinerea ist von Erfolg geradezu verwöhnt. Hat er seine Mycel-Tentakel einmal ausgebreitet und seine Sporen ausgeschleudert, hat die Pflanze kaum Chancen sich zu wehren. Wissenschaftler haben nun herausgefunden, dass Botrytis cinerea mehr als 800 RNA Moleküle einsetzt, wenn er eine Pflanzenzelle infiltriert. Der Pilz ist so raffiniert, dass er sogar die Pflanze selbst dazu bringt, ihre Abwehr auszuschalten. Deshalb ist es umso wichtiger, dass man genau weiß mit wem man es zu tun hat. Hier stellen wir dir die 5 Gesichter dieses Schimmelpilzes vor.
Im Winter kommt alles zur Ruhe. Bei Botrytis cinerea ist das leider nicht der Fall. In unseren klimatischen Breiten haben die Reben im Winter keine Ruhe vor diesem Schwächeparasit. Er macht es sich auf der Rinde deines Weinstocks als Mycel gemütlich und breitet sich von dort auch bei kalten Temperaturen immer weiter bis in die Winterknospe aus. Das Holz hellt sich durch den Befall auf und ist mit grauen Flecken verunstaltet.
Im Frühjahr treiben dann an diesem Holz kaum neue Augen aus. Ist es im zeitigen Frühjahr besonders feucht, musst du dann auch mit einem Befall deiner gerade erscheinenden Triebe und Blätter rechnen.
Botrytis am Blatt, Geisenheim, Bild von Michael Daniel, Juli 2021
Planst du eine Rebenvermehrung? Dann sei bitte besonders achtsam und wähle kein befallenes Holz. Der Pilz stört das Verbinden der beiden Pfropfpartner und schädigt die frischen Austriebe. Es muss ja nicht sein, dass du gleich mit Botrytisbefall in deinen neuen Wingert startest.
Hier ist nicht das Mycel der auslösende Part, sondern die Sporen. Werden die jung entwickelten Gescheine deiner Reben befallen, entsteht „Gescheinsbotrytis“. Teile der Gescheine werden braun bis schwarz, glasig, schrumpfen und vertrocknen später. Hast du einen mittelguten „Gescheinsansatz“ bleibt dein Ertragsausfall gering, da ein Großteil durch die verbleibenden Gescheine ausgeglichen werden kann. Auch wenn du in diesem Stadium keinen starken Befall haben solltest, solltest du handeln. Denn unser Grauschimmel schläft auch gern. Das heißt, die Infektion ruht nur und bricht dann später bei Stress oder im schlechtesten Fall erst im Lager wieder aus. Dabei ist Sonnenbrand oder ein zu starker Wind, der an den vollen Trauben zerrt, für viele Trauben stressig, und nicht der Winzer, der 10 Mal am Tag an ihnen vorbei fährt. 😊
Hast du es ohne Botrytis bis zur Nachblüte und dem Erscheinen der Beeren geschafft, fangen die Sorgen erst an. Botrytis kann dich zwar im gesamten Vegetationslauf des Weins treffen, die größten Probleme verursacht eine Infektion jedoch wenn deine unreifen, grünen Beeren reifen. Botrytisbefall in diesem Stadium wird treffenderweise als Sauerfäule bezeichnet.
Von unreifen Beeren spricht man, wenn diese ein Mostgewicht von unter 12° KMW (Klosterneuburger Mostwaage) bzw. unter 60° Oechsle aufweisen. Wie kommt denn der Pilz da rein in die grünen Beeren?
Botrytis-Eintrittspforten bei Sauerfäule
Sind deine Trauben mit der Sauerfäule befallen, so sind diese meist minderwertig und für deine Weinproduktion nicht mehr geeignet. Die Symptome erkennst du an den bräunlichen (bei Weißweinsorten) oder rötlichen (bei Rotweinsorten) Beeren mit einem sich rasch ausbreitenden, mausgrauen Schimmelrasen. Wenn du Glück hast, bricht der Pilz nicht aus und die Beeren vertrocknen einfach. Bei der Lese dieser Trauben solltest du dich von deiner Nase leiten lassen. Sobald eine Traube nach Essig riecht, gehört sie in den Abfall.
Neben Holz, Gescheinen und Trauben kann auch der Traubenstiel bzw. das Traubenstielgerüst durch Botrytis befallen werden, wenn dieses an Stiellähme leidet. Der Traubenstiel wird weich und fault. Erwischt der Grauschimmel deine Beeren sozusagen am Schlafittchen, droht dir der größte wirtschaftliche Schaden. Denn kommt oben nichts mehr durch, fehlt deinen Trauben die Nahrung. Sie reifen nicht weiter, verfärben sich von rosa über violett bis braun und fallen ab. Bodentrauben werden sie dann genannt. Geschieht das kurz vor der Lese, könntest du nochmal drüber nachdenken, ob du sie nicht doch zum Kelterer bringst – aber dann getrennt vom Rest. Eine Schönung könnte hier noch retten wenn es was zu retten gibt und Fehltönen den Garaus machen. Sind die Trauben aber nicht ausgereift, dann lass lieber die Finger davon.
Dieses Gesicht ist etwas Besonderes. Es verringert zwar deinen Ertrag, aber das, was noch übrig bleibt, bringt so manchen Winzer ins Schwärmen. Werden deine „ausgereiften“ weißen Trauben befallen, kommt es plötzlich zur erwünschten „Edelfäule“ oder im Fachjargon zur „Pourriture noble“. Jetzt kann Botrytis auf einmal Wunder vollbringen!
Vor allem im Süßweinbereich oder für Weißweine im höheren Alkoholbereich mit Lagerpotential ist dir die Edelfäule meist willkommen, da durch Grauschimmel die Inhaltsstoffe der Weinbeeren wie Zucker und Extrakt auf natürliche Weise konzentriert werden. Dieses schimmelfreundliche Klima gibt es nicht überall. Doch lebst du an der Mosel, der Saar, im Rheingau, in Franken, im Österreichischen Neusiedlersee oder im Schweizer Wallis ist dir diese feucht warme Witterung bestimmt schon einmal begegnet.
Bei der Edelfäule befällt unser Pilz die reifen Beeren, genauer gesagt ab 80° Oechsle bzw. 12,5 KMW. Er badet regelrecht in den Säuren, im Stickstoff und Zucker in den Trauben und lässt viel Feuchtigkeit verdunsten. Das konzentriert natürlich den Beerensaft und lässt die Trauben immer süßer werden. Das Mostgewicht steigt und heraus kommen einmalige Trockenbeerenauslesen. Riecht es nach Safran und Orient? Dann hast du alles richtig gemacht.
Aber Achtung! Willst du Weine im etwas niedrigerem Alkoholbereich mit einer ausgeprägten Primärfrucht und knackiger Säurestruktur produzieren, dann musst du den Anteil an botrytisbefallenen Beeren in deinem Lesegut eher sehr geringhalten.
Auf deinem Weinberg wachsen vornehmlich rote Trauben? Dann hast du leider keine Freude an der Edelfäule. Bei roten Trauben gibt der Botrytispilz das Enzym Laccase ab. Dieses Enzym spaltet dir die Struktur der farbgebenden Anthocyane auf und verändert die Farbe deines späteren Rotweins deutlich negativ von Rot ins „Orange-Bräunliche“.
Deshalb solltest du bei der Rotweinproduktion darauf achten, ein komplett sauberes Traubenmaterial ohne Botrytis zu ernten. Im schlimmsten Fall machst du dann einen Weisherbst draus oder z.B. einen Blanc de Noir aus dem Spätburgunder.
Bei Schimmel liegen Freud und Leid eng zusammen. Man denke nur an Penicillin oder leckeren Roquefort. Bei Trauben jedoch verhagelt es dir als Winzer regelrecht die Laune wenn du an Schimmel denkst. Allen voran an Botrytis cinerea. Jedenfalls bis kurz vor der Lese. Botrytis ist grundsätzlich nicht wählerisch, Hauptsache er findet Nahrung. Ob das nun abgestorbene Blätter, grüne Beeren oder reife Trauben sind. Wärme und Feuchtigkeit sind unabdingbar für sein Gedeihen. Viel Stickstoff in den Trauben und Verletzungen helfen ihm, in die Beeren einzudringen und dort sein hässliches Gesicht zu präsentieren. Und seine Gesichter sind vielfältig. Holzbefall, Gescheinsbotrytis, Roh- bzw. Sauerfäule und Stielfäule treiben dir die Tränen in die Augen und das Geld aus deiner Tasche.
Lediglich kurz vor der Lese – und nur bei Weißweinen - zeigt Botrytis mit der Edelfäule sein freundliches Gesicht. Baust du Rotweine an, wird der Pilz jedoch immer hässlich für dich bleiben.
Möchtest du nun wissen, wie du Botrytis effizient loswerden kannst? Dann lies unseren Artikel "Faule Trauben an den Reben? 7 Bausteine zur Bekämpfung von Botrytis"
Quellen:
http://www.vitipendium.de/Grauschimmel
https://www.am.rlp.de/Internet/Weinbau/WB-Versuche.nsf/7b792856af952413c12575a6007280e0/e43337ea1c948f56c12576700038f9d3?OpenDocument aus Der deutsche Weinbau 11, S. 12ff, DLR Rheinpfalz aktuell 2003, S. 58-67
https://www.dlr.rlp.de/__c1256ea7002be0cb.nsf/b81d6f06b181d7e7c1256e920051ac19/CB1690233206135AC125858A003B5DF9/$FILE/Sachkunde%20Weinbau%202020_DLR%20Rheinpfalz%20NW.pdf
https://www.weinhalle.de/lexikon/botrytis.html
Vigor thresholded NDVI is a key early risk indicator
of Botrytis bunch rot in vineyards, Carolina Pañitrur-De la Fuente1, Hector Valdés-Gómez2, Jean Roudet3, Nicolás Verdugo-Vásquez1,
Y. Mirabal4, V.F. Laurie5, Jean-Pascal Goutouly6,7, Cesar Acevedo-Opazo5 and Marc Fermaud3*
https://lvwo.landwirtschaft-bw.de/pb/,Lde/Startseite/Fachinformationen/Botrytisbekaempfung_+kulturtechnisch_+chemisch_+oekologisch?LISTPAGE=669250