Musstest du früher auch Kartoffelkäfer absammeln? Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie mir mein Vater einem Eimer in die Hände drückte und mich zwischen die Kartoffelpflanzen schob. Solche gestreiften, großen Käfer hatte ich noch nie gesehen! Eklig war es schon, schließlich musste ich sie ja mit bloßen Händen einzeln in meinen Eimer befördern und danach alle platt treten. Wie das geknackt hat! Uaaahhh... Gott sei dank sind diese Zeiten vorbei. Trotz meiner fleißigen Sammelbemühungen gibt es den Käfer immer noch! Und sein Appetit bzw. der seiner Larven ist schier unersättlich! Nicht umsonst ist er einer der gefürchtetsten Schädlinge unter Kartoffelanbauern.
Wo er herkommt, wie er aussieht, sich vermehrt und überwintert und warum er sogar mal als biologische Waffe zählte, liest du in diesem Artikel.
Heute weiß man, dass der Kartoffelkäfer eigentlich Mexikaner ist. Anfang des 19. Jhd. entdeckte man ihn jedoch erstmals im US-Bundestaat Colorado. Daher hat er auch seinen Spitznamen: Colorado-Käfer, auf English: „colorado beetle“. Bei uns wird er recht einfallslos als Kartoffel- oder auch Erdapfelkäfer (lat. Leptinotarsa decemlineata) bezeichnet.
Als Einwanderer aus Amerika gelangte er mit Kartoffellieferungen zu uns nach Europa und das bereits Ende des 19. Jahrhunderts. Hier sorgte er für große Aufmerksamkeit, denn schon damals verursachte er mit seiner Gefräßigkeit komplette Ernteausfälle, so z.B. 1922 in Bordeaux, Frankreich.
In Deutschland löste er vor knapp 100 Jahren sogar einen eigenen Katastrophenschutz aus. Katastrophenschutz wegen eines Käfers? Ja, so war das damals. Denn ohne Insektizide oder andere Abwehrmaßnahmen frisst so ein Käfer und seine Larven ungestört die kompletten Kartoffelblätter ab. Ohne Blätter keine Photosynthese, ohne Photosynthese keine Kartoffeln und ohne Kartoffeln bleibt es leer auf dem Teller.
Mit der Angst einer Hungersnot im Nacken stellten die Deutschen 1935 deshalb ein ganz spezielles Kommando auf die Beine: Den sogenannten Kartoffelkäfer-Abwehrdienst (KAD). Die Aufklärungsarbeit begann bereits für die Schulkinder, denn die Regierung verteilte Bücher über den schädlichen Kartoffelkäfer mit dem Titel: „Sei ein Kämpfer, sei kein Schläfer- acht auf den Kartoffelkäfer“. Anstelle der traditionellen Hausaufgaben sammelten Schulkinder nach Schulschluss Käfer und Larven aus den Kartoffelbeständen ab, teils gab es extra schulfrei! Das waren noch Zeiten!
Nun hast du aus den Kindertagen deiner Großeltern sicher kein Buch mehr über den Kartoffelkäfer zur Hand. Deshalb stellen wir ihn dir einmal kurz vor.
Ausgewachsener Kartoffelkäfer: Schon von weitem kannst du den Kartoffelkäfer erkennen. Sein Körper ist ca. 10-15 mm groß, geformt wie eine Halbkugel und mit schwarz-gelblichen 10 Streifen bedeckt. Er überwintert im ausgewachsenen Stadium im Boden, am liebsten in Kartoffelschlägen aus dem Vorjahr. Steigen die Temperaturen auf über 10°C kriecht er aus der Erde und macht sich auf den Weg. Und zwar fliegend und krabbelnd! Am Anfang sind seine Flugmuskeln noch nicht stark genug, deshalb muss er erst einmal ein paar Tage fressen, bis er sich in die Lüfte schwingen kann. Bis zu mehreren 100 Metern kann er am Boden zurücklegen und fliegend sogar mehrere Kilometer bis er bei deinen gerade auflaufenden Kartoffelpflänzchen angekommen ist. Dort vertilgt ein erwachsener Kartoffelkäfer pro Tag bis zu 9,65 cm2 Blattfläche, wie Herr Ferro 1985 herausfand!
Nach seinem Reifungsfrass (dauert ca. 2 Wochen) beginnt die Paarung. Die Kartoffelkäferdame ist übrigens nicht monogam, sondern versucht so viel unterschiedliches Genmaterial wie nur möglich für ihre Kinder zu ergattern. Dabei hat sie auch die Möglichkeit, auf Sperma aus der Paarung vom letzten Herbst zurückzugreifen. Da ging es nämlich auch schon zur Sache. Das ist schlecht für dich, denn so kann sie auch ohne Paarung im Frühling munter Eier legen.
Eigelege: Diese auffällig orange leuchtenden Eigelege findest du dann an den Blattunterseiten deiner Kartoffelpflanzen wieder. Jede Kartoffelkäferdame legt dabei zwischen 300 bis max. 800 Eier fein sortiert in 20-80 er Grüppchen ab.
Kartoffelkäferlarven: Je wärmer es ist, desto schneller schlüpfen die Larven aus den organen Eiern. Wenn du also nach ein paar Wochen noch keine Larven siehst, heißt das nicht, dass sie nicht mehr kommen. Bis zu 14 Wochen lassen sie sich manchmal Zeit. Sind sie auf der Welt, durchlaufen sie vier Larvenstadien (L1-L4), bis sie sich verpuppen und zu erwachsenen Käfern werden.
Der rotbraune bis gelbliche Körper der Larven ist länglich. Erst im späteren Larvenstadium werden sie kugliger. An beiden Seiten ziert eine schwarz gepunktete Linie ihren kleinen Körper, der sich mit kleinen schwarzen Beinchen fortbewegt.
Die ersten beiden Larvenstadien sind nicht ganz so hungrig. Aber die L3 und L4 verursachen einen Schaden bis hin zum Kahlfrass. Bis zu 40 cm2 Blattfläche schafft so eine kleine Larve im Laufe ihres Larvenlebens, mehr als die Hälfte aber erst im letzten Stadium. Das sind mehr als 6 mal 6 cm - das ist schon eine Menge! Nach dem Fressgelage zieht sich die L4-Larve in den Boden zur Puppenruhe zurück. Schön geschützt vor äußeren Einflüssen.
Ist z.B. ein warmer (Spät-)Sommer vorhergesagt, verkriechen sie sich nicht wieder im Boden, sondern begeben sich auf Partnersuche und dann geht alles wieder von vorne los. So kann sich schnell eine weitere Generation an Käfern entwickeln, solltest du ihm nicht vorher den Garaus gemacht haben.
Schadbild: Es beginnt mit kleinen Löchern in den Blättern. Dann kommt der Rand dazu. Zum Schluss wird alles Grüne abgefressen, bis nur noch das Blattgerippe übrigbleibt. Diese Blattgerippe ähneln Skelette, weshalb dieses Schadbild auch oft Skelettierfraß genannt wird.
Unser kleiner Mexikaner frisst sich auf der ganzen Welt durch die Kartoffelfelder. Über die letzten 2 Jahrhunderte hat er sich einen ziemlichen Namen gemacht. Mittlerweile müssen wir nicht mehr vor ihm und seinen Schäden erzittern, dennoch sollten wir ihn nicht unterschätzen. Wie er und seine Larven aussehen und er sich vermehrt weißt du jetzt. Du kannst ihn also zweifelsfrei auf deinen Feldern erkennen.
Merke dir: In alle Stadien ist der Kartoffelkäfer unersättlich. Am liebsten verspeist er Kartoffelkraut. Er macht aber auch vor anderen Nachtschattengewächsen wie Tomaten oder Auberginen nicht halt. Der Schaden zeigt sich in Rand- und Lochfrass, später auch Skelettier- und Kahlfraß! Unternimmst du nichts gegen den gestreiften Käfer, drohen dir erhebliche Ernteausfälle bis zu einem Totalverlust.
Was du gegen den Kartoffelkäfer unternehmen kannst und welche Bekämpfungsmöglichkeiten es für biologisch und konventionell wirtschaftende Kartoffelbauern gibt, findest du in unserem Artikel "4 Tipps wie du Kartoffelkäfer professionell bekämpfen kannst".
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Quellen:
http://www.potatobeetle.org/overview.html
https://www.lfl.bayern.de/ips/blattfruechte/072515/index.php
https://www.bioaktuell.ch/pflanzenbau/ackerbau/kartoffeln/regulierung-des-kartoffelkaefers.html
https://www.pflanzenkrankheiten.ch/schaedlinge/ackerbau/leptinotarsa-decemlineata
Misener, G.C., G. Boiteau, and L.P. McMillan. 1993. A plastic-lining trenching device for the control of Colorado potato beetle: Beetle Excluder. Am. Potato J. 70: 903- 908.
Logan, P.A., R.A. Casagrande, H.H. Faubert, and F.A. Drummond. 1985. Temperature-dependent development and feeding of immature
Colorado potato beetles, Leptinotarsa decemlineata Say (Coleoptera:
Chrysomelidae). Environmental Entomology 14: 275–283.
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1992. Enhancing overwintering mortality of Colorado potato
beetle (Coleoptera: Chrysomelidae) by manipulating the temperature
of its diapause habitat. Journal of Economic Entomology
85: 1701–1708.
Ferro, D.N., J.A. Logan, R.H. Voss, and J.S. Elkinton. 1985. Colorado
potato beetle (Coleoptera: Chrysomelidae) temperaturedependent
growth and feeding rates. Environmental Entomology
14: 343–348.
Reproduction and Dispersal of Summer-Generation Colorado Potato Beetle (Coleoptera: Chrysomelidae), June 1999, Environmental Entomology 28(3):425-430