Maltodextrin – ist das nicht ein Produkt zum Muskelaufbau im Sport? Was hat das mit Pflanzenschutz im Gemüsebau zu tun, fragst du dich? Neuerdings recht viel...
Maltodextrin - ein Mehrfachzucker auf Basis von Glucose (Traubenzucker), der durch Hydrolyse von Stärke gewonnen wird - ist jetzt ganz neu auf dem deutschen Pflanzenschutzmittelmarkt als Insektizid und Akarizid u.a. im Gemüsebau zugelassen worden. Die Europäische Kommission hat Maltodextrin sogar auf eine Liste mit Wirkstoffen gesetzt, die nicht nur in Pflanzenschutzmitteln eingesetzt werden dürfen, sondern auch als Stoffe mit geringem Risiko einzustufen sind. Das hört sich ja schon mal sehr gut an.
Maltodextrin ist zudem:
- nicht rückstandsrelevant
- zu 100 % biologisch abbaubar
- und wird sogar in der Lebensmittelindustrie verwendet.
Diese positiven Eigenschaften lassen aber nicht unbedingt auf eine Wirkung gegen Schadinsekten schließen. Und doch ist die Wirkung durchaus verblüffend. Aber wie funktioniert Maltodextrin eigentlich und wie reagieren Nützlinge auf diesen Wirkstoff? Dies alles erfährst du in diesem Artikel.
Wie wirkt Maltodextrin gegen Spinnmilbe, Blattlaus & Co?
Mit Zucker gegen Insekten und Spinnen? Die sollen doch nicht noch dicker werden! Ich kann dir garantieren, das werden sie nicht. Denn dieses süße Zeug hat noch eine andere Eigenschaft außer dick zu machen: es klebt! Und zwar nicht in deiner Spritze sondern auf den kleinen Spinnmilben, der Weißen Fliege und den Blattläusen, die deinem Gemüse an den Kragen wollen.
Genauer gesagt verklebt es die Atemöffnungen (Stigmen) der kleinen Schädlinge und lässt keine Luft mehr durch. Dieser Effekt funktioniert jedoch nur, wenn du alle Schädlinge ordentlich mit der Zuckerlösung tropfnass gespritzt hast und der Spritzbelag dann innerhalb einer Stunde antrocknet.
Wenn die kleinen Tierchen dann noch nicht erstickt sind, werden Flügel und Gliedmaßen nach dem Antrocknen des Wirkstoffes gelähmt. Wie das bei der Weißen Fliege aussieht, siehst du auf dem Foto weiter unten. Diese rein physikalische Wirkung schützt dein Gemüse auf natürliche Weise gegen Schädlinge.
Optimalerweise fährst du mit deiner Spritze am frühen Nachmittag los, wenn draußen mind. 20 °C herrschen und die relative Luftfeuchtigkeit gering ist.
Hast du schwer benetzbare Kulturen wie Kohl und Zwiebeln nimm am besten noch einen Superspreiter dazu. Der fördert die Benetzung und unterstützt Maltodextrin noch zusätzlich beim Verkleben der Atemöffnungen. Wie schnell das bei Blattläusen funktionieren kann, zeigt dir die folgende Bilderserie:
Die richtige Spritzstrategie und Technik ist entscheidend für die Wirkung
Ganz wichtig ist das Wasser! 1000 l Spritzbrühe sollten schon im Tank drin sein, sonst ist die Zuckerdusche zu schnell vorbei. Merke dir: verwende je nach Entwicklungsstand deiner Pflanze so viel Wasser, dass alle Blätter tropfnass bespritzt werden. Wirklich tropfnass! Die Brühe muss kurz vor'm run off sein, dann ist es richtig.
Eine maximale Konzentration von 2,5 % ist super. Maltodextrin hat eine reine Kontaktwirkung. Nur die wirklich ordentlich abgeduschten Schädlinge werden in die ewigen Jagdgründe geschickt. Kontrolliere deine behandelten Bestände gründlich. Eine zweite Behandlung nach 3 – 5 Tagen würde ich dir empfehlen.
Für den Erfolg deiner Maßnahme ist deine Spritzentechnik entscheidend. Sie muss auch die Blattunterseite tropfnass benetzten können, z.B. durch den Einsatz einer Gebläse-Spritze in Raumkulturen, luftunterstützte Feldspritzen, Dreidüsengabel in Erdbeeren, Spritzwagen mit Vertikalgestänge oder Droplegs. Du kannst nur die Schädlinge erfolgreich bekämpfen, die deine Spritztechnik auch erwischt.
Was passiert mit meinen Nützlingen wie Schlupfwespe, Marienkäfer & Co wenn ich Maltodextrin einsetze?
Du als Fachmann weißt, dass beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln je nach Wirkstoff, Konzentration oder Anwendungszeitpunkt auch die vorhandenen Gegenspieler mehr oder weniger beeinträchtigt werden können. Beinahe alle wirksamen Präparate (auch die biologischen) haben auf die eingesetzten oder bereits vorhandenen Nutzinsekten eine gewisse schädigende Wirkung.
Da die Lebenszyklen und Wirkungsweisen der Nützlinge durchaus sehr komplex sind, verlangen sie von dir viel Gespür bei der Auswahl der geeigneten Pflanzenschutzmittel. Eine Hilfe bietet dir hier die Nebenwirkungs-Datenbank von Koppert. Durch Filter kann man den Nützling und das eingesetzte Pflanzenschutzmitteln auswählen und sieht dann, ob eine schädigende Nebenwirkung oder Rückstandswirkung (Persistenz) auf den Nützling besteht oder nicht.
Wenn du die Entwicklung deiner wertvollen zugekauften Helfer nicht durch ein Pflanzenschutzmittel behindern willst, macht die Persistenz den Unterschied! Denn die Zeitspannen nach der letzten Anwendung deines Insektizids oder Akarizids, in der die Nützlinge weiterhin geschädigt werden, ist mitunter sehr verschieden. Die Persistenz kann bei einigen Wirkstoffen bis zu 10 Wochen betragen! Nützlinge, die in dieser Zeitspanne ausgebracht werden, arbeiten nicht sehr effektiv, wenn sie denn überhaupt dazu in der Lage sind.
Achte zudem bei der Wirkstoffauswahl unbedingt auf die Wartezeit (RHG). Baust du beispielsweise Minigurken im Gewächshaus an, lassen dir die kurzen Ernteintervalle nur sehr wenig Spielraum beim Pflanzenschutz. Die Vorgaben durch den LEH bezüglich Rückstände sind ebenfalls eine große Herausforderung. Bei einem starken Schädlingsdruck spricht hier alles für Maltodextrin, da es nicht rückstandsrelevant ist und keine Wartezeit hat.
Aber Maltodextrin verklebt auch bei Nützlingen wie Marienkäfer, Gallmücke und Schlupfwespen die Atemöffnungen und Flügel. Was nun?
So setzt du Maltodextrin richtig ein ohne Nützlingen zu schaden
Um deine kleinen Helfer zu schonen solltest du die folgenden Ratschläge beachten:
1. Blockbehandlung mit Maltodextrin unmittelbar vor dem Nützlingseinsatz
Leider kommt es in der Praxis gelegentlich vor, dass sich gewisse Schädlinge stärker vermehren als die vorhandenen Nützlinge. Diese Massenvermehrung kann zum Totalausfall der Kultur führen. Du solltest rechtzeitig mit einer Blockbehandlung (2 bis 3 Anwendungen im Abstand weniger Tage) gegensteuern. Nach dem Abtrocknen der letzten Applikation kannst du deine Nützlinge, beispielsweise die Schlupfwespe (Encarsia formosa) sofort ausbringen, ohne Schädigungen befürchten zu müssen.
2. Teilbehandlung mit Maltodextrin
Bei Fruchtgemüse unter Glas wie Tomaten und Gurken reicht es häufig aus, wenn du nur den oberen Bereich der Kultur behandelst. Ein Betriebsdruck an der Düse von ca. 2,5 bar ist hier optimal. Achte hier auch auf die angegebene Konzentration von 2,5 %. Spinnmilben halten sich bei Hitze in Gewächshauskulturen bevorzugt im oberen Bereich auf, während Raubmilben eher im kühleren unteren Bereichen verbleiben. Der angetrocknete Wirkstoff ist für die nachrückenden Raubmilben unbedenklich. Sie können so die Ausbreitung der Spinnmilben in deinem Bestand weiterhin eindämmen.
Zeitgemäßer Pflanzenschutz mit Maltodextrin
In Zukunft stehen dir und deinen Berufskollegen immer weniger Pflanzenschutzmittel zur Verfügung. Mit Maltodextrin können durchaus einige der entstandenen und noch entstehenden Indikationslücken geschlossen werden. Um mit den wenigen, noch wirksamen Produkten erfolgreich arbeiten zu können, wirst du dich wohl mit den hohen Aufwand- und Wassermengen anfreunden müssen.
Auch sind die Anwendungsbedingungen manchmal etwas gewöhnungsbedürftig. Bei richtiger Anwendung auf dem Feld oder im Gewächshaus gedeihen deine Pflanzen und auch deine Nützlinge weiterhin prächtig und den Schädlingen geht's trotzdem an den Kragen. Mit Maltodextrin steht Dir ein neuer Wirkstoff zur Verfügung, der absolut in die Zeit passt.